Wien – Das Oberlandesgericht Wien hat einen Rekurs des Vereins Media-Analysen abgewiesen und eine Entscheidung der ersten Instanz über Warnhinweise für Umfragen bestätigt: Das Handelsgericht Wien verlangte, die Media-Analyse (MA) müsse ihre Zahlen künftig mit einem solchen Warnhinweis versehen: Die tatsächlichen Leserzahlen könnten "grob" von den veröffentlichten Werten abweichen. Die Media-Analyse kündigt nun auf STANDARD-Anfrage eine außerordentliche Revision gegen die Entscheidung an.

Jahrzehntelanger Streit

Die Vorgeschichte: Alexander Geringer, Verleger etwa der Wohnzeitschrift "Home", und sein Anwalt Hubert Simon streiten seit den 1990ern, spätestens seit den 2000er-Jahren auch vor Gericht mit der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse. Zweimal schon bis zum Obersten Gerichtshof.

Denn: Die Reichweitenstudie wies den "Home"-Konkurrenten "Schöner Wohnen" und "Besser Wohnen" Leserzahlen aus, die in keinem Verhältnis zu ihren Auflagen stünden – und die vielfach mehr Leser pro Heft bedeuten würden als bei "Home".

Eigentlich wollte Geringer die Media-Analyse zunächst nur dazu bringen, mit den Reichweiten der Konkurrenz auch die Leser pro verbreitetem Exemplar zu veröffentlichen. Werbekunden sollten sich so rasch ein Bild machen können, wie realistisch sie die Werte finden, sagte Geringer. Die Daten für die Konkurrenz wären "falsch und unmöglich"; sie beeinträchtigten verlegerische Lebensleistung, argumentierte er.

Die MA lehnte ab, Auflagen und Reichweiten entwickelten sich unterschiedlich. Geringer machte sich auf den – langen – Rechtsweg. Man stritt, ob ordentliche Gerichte für eine solche Auseinandersetzung unter (zunächst) Vereinsmitgliedern zuständig sind. Ob Geringers Vorhalte gegen den Verein wettbewerbsrechtlich relevant sind? Der Oberste Gerichtshof bejahte das 2012.

Statistische Schwankungsbreiten

Im Herbst 2017 hat das Handelsgericht Wien Geringer Recht gegeben – in einem Punkt, um den er die Klage erst im Februar 2017 erweitert hatte: Die Media-Analyse möge keine "irreführenden" Reichweitendaten veröffentlichen, jedenfalls nicht ohne Hinweis, dass die "tatsächlichen Leserzahlen außerhalb der Schwankungsbreite liegen und von den Ergebnissen der Media-Analyse grob abweichen können".

Die vom Gericht akzeptierte Erweiterung legten zwei Gutachten nahe, darunter eine Umfrage bei 41 Werbekunden von österreichischen Wohnzeitschriften. 32 Prozent von ihnen glauben demnach, dass MA-Reichweiten "immer im Rahmen der statistischen Schwankungsbreiten richtig sind und den tatsächlichen Reichweiten entsprechen". Die Gutachterin verweist selbst auf die geringe Fallzahl ihrer Umfrage und die daraus resultierende Aussagekraft. Die Media-Analyse beruht auf mehr als 15.000 Interviews pro Jahr.

"Mangelfreie Erhebungsmethoden"

Das Handelsgericht Wien bescheinigt der Media-Analyse im Herbst 2017, sie beruhe auf "mangelfreien Erhebungsmethoden". Der Hinweis in den MA-Publikationen, "dass die ausgewiesenen Werte die Werte mit der größten Wahrscheinlichkeit repräsentieren und der Wert zu 95 Prozent innerhalb der Schwankungsbreite liegt", genügt aus ihrer Sicht aber nicht. Für die Richterin "steht fest, dass die vom Beklagten veröffentlichten Reichweiten, obwohl diese auf mangelfreien Erhebungsmethoden beruhen, dahingehend unüberprüfbar sind, dass die tatsächlichen Reichweiten außerhalb der statistischen Schwankungsbreiten liegen können und von den Ergebnissen der Media-Analyse grob abweichen können, wobei dieser Umstand den angesprochenen Nachfragern zu einem doch erheblichen Teil eben nicht bewusst ist". Geringer sah seine Kritik an der Media-Analyse bestätigt.

MA-Präsident Helmut Hanusch nannte die Entscheidung im Herbst 2017 "skurril und weltfremd": Auf der Basis einer Umfrage bei 41 aus seiner Sicht nicht für die Branche repräsentativen Werbekunden stelle das Gericht eine Umfrage nach international üblicher und wissenschaftlich untermauerter Methode mit rund 15.000 Interviews infrage. Umfragen zu Nationalratswahlen etwa basieren auf 400 bis 1.500 Interviews.

"Berufung nicht berechtigt"

Das Oberlandesgericht Wien hat die Berufung des Vereins Media-Analysen gegen die Entscheidung des Handelsgerichts, datiert mit 19. April 2018, abgewiesen. Die Berufung behauptete, das Verfahren vor dem Handelsgericht wäre mangelhaft, und die rechtliche Beurteilung unrichtig; sie verlangte, die Klage gegen die Media-Analyse abzuweisen. Das Oberlandesgericht schreibt in seiner Entscheidung: "Die Berufung ist nicht berechtigt."

Ein Antrag auf ein weiteres Sachverständigengutachten hätte der Trägerverein früher einbringen können, bestätigte das Oberlandesgericht etwa. Auch die Zulassung der Klagsänderung im Februar 2017 sei kein Verfahrensmangel. Der Vorwurf nach dem Gesetz über unlauteren Wettbewerb sei nicht verjährt, das Unterlassungsbegehren nicht zu weit gefasst, und das Gutachten für die Feststellungen des Handelsgerichts "geeignet". Die mögliche "Irreführung" sei gegeben, findet das Oberlandesgericht auf Basis der Kundenbefragung im Gutachten.

Petra Roschitz, Geschäftsführerin des Vereins Media-Analysen, kündigt auf STANDARD-Anfrage eine außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof an. Aus ihrer Sicht sind die Sachverständigengutachten als Basis für die Feststellungen des Gerichts nicht geeignet. (fid, 16.5.2018)