Kim Jong-un droht mit der Absage des Treffens mit Donald Trump. Der Grund ist ein Militärmanöver.

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Seoul/Pjöngjang – Nordkorea droht den USA damit, das für den 12. Juni geplante Gipfeltreffen von Machthaber Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump abzusagen. Nordkorea werde dies tun, wenn die USA ihre Kernforderung nach einer Aufgabe des nordkoreanischen Atomwaffenarsenals aufrechterhalten würden, während sie selbst nicht an der "Denuklearisierung der nordkoreanischen Halbinsel" festhielten und auch ihre Drohungen nicht einstellten, hieß es am Mittwoch.

Konkret nimmt die Aussendung der staatlichen Agentur KCNA auf Aussagen von US-Sicherheitsberater John Bolton Bezug, der in US-Medien am Wochenende das Land mit Libyen und dem Irak verglichen und einen Abbau der nuklearen, biologischen und chemischen Waffen Nordkoreas nach deren Vorbild gefordert hatte.

US-Sicherheitsberater John Bolton forderte ein "Libyen"-Modell für Nordkorea. In Libyen war Machthaber Muammar Gaddafi 2011 durch US-Luftschläge aus dem Amt entfernt und später von bewaffneten Gegnern getötet worden. Nordkorea ist über den Vergleich nicht erfreut.
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Beide Staaten gelten dem Regime in Pjöngjang als Negativbeispiele, weil die USA nach der Abrüstung der Massenvernichtungswaffen dort jeweils an Kriegen teilgenommen hatten, die im Sturz der jeweiligen Regierungen und dem gewaltsamen Tod der früheren Machthaber Muammar Gaddafi und Saddam Hussein endeten.

Nordkorea steht insgesamt besonders Bolton kritisch gegenüber, seitdem dieser in Artikeln vor seinem Amtsantritt einen Präventivkrieg gegen Pjöngjang gefordert hatte. Bezüglich des Starts der Gespräche hatte er zudem angemerkt, es sei gut, wenn diese möglich bald beginnen würden, damit sie möglichst bald zusammenbrechen könnten – dann wäre der Weg zu einem Angriff der USA frei.

Konkret heißt es in dem Schreiben der Agentur vom Mittwoch, wenn die US-Regierung das Land in die Enge treibe und einseitig fordere, "dass wir Atomwaffen aufgeben, haben wir kein Interesse mehr an Gesprächen". Sie zitiert dabei den nordkoreanischen Vize-Außenminister Kim Kye-gwan am Mittwoch laut der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA. Derzeit werde eine Teilnahme aber noch erörtert. Jedenfalls zeigt die Mitteilung, dass die Interpretation dessen, was eine "atomwaffenfreie koreanische Halbinsel" bedeutet, in den USA und in Nordkorea weiterhin ziemlich unterschiedlich ist.

Für Mittwoch geplante hochrangige Versöhnungsgespräche mit Südkorea wurden bereits am Dienstag abgesagt. Damit droht nach Wochen des Tauwetters ein schwerer Rückschlag in diesem gefährlichen Konflikt.

Umstrittenes Manöver

Pjöngjang ist zudem über Militärmanover der USA mit Südkorea verärgert. Diese hatten ungeachtet der Entspannungssignale aus Pjöngjang am Freitag die jährliche Übung "Max Thunder" gestartet, eine zweiwöchige Luftverteidigungsübung. An dem Manöver nehmen nach Berichten südkoreanischer Medien etwa 100 Kampfflugzeuge teil.

Laut der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA sei diese Übung, in der die südkoreanische und die US-Luftwaffe Attacken auf den Norden simulierten, nicht wie gewünscht eingestellt worden. Sie verletze die gemeinsamen Vereinbarungen von Süd- und Nordkorea nach dem Gipfeltreffen vom 27. April und sei eine vorsätzliche militärische Provokation. "Die Vereinigten Staaten werden sorgfältige Überlegungen anstellen müssen über das Schicksal des geplanten nordkoreanischen Gipfeltreffens", hieß es in dem Bericht.

USA: Kein Grund für Verschiebung

Die USA sehen vorerst keinen Grund für eine Verschiebung oder Absage des Treffens. "Wir machen weiter und treiben die Planungen für das Treffen von Präsident Trump und Kim Jong-un voran", sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Heather Nauert, am Dienstag in Washington. Auch Mittwochnachmittag hieß es, man hoffe weiter auf das Treffen und bereite sich "auf harte Verhandlungen vor".

Die Militärübungen der Amerikaner mit Südkorea stellten keinesfalls eine Provokation dar. "Das sind Dinge, die wir auf der ganzen Welt machen", sagte sie. Im März hatte Machthaber Kim bei einem Treffen mit dem südkoreanischen Gesandten Chung Eui-yong noch Verständnis für die gemeinsamen Militärübungen gezeigt.

Südkorea bedauert Absage

Südkorea bedauert die überraschende Absage der Versöhnungsgespräche. Das Vereinigungsministerium in Seoul rief das Nachbarland am Mittwoch auf, so früh wie möglich Gespräche zu führen, die "dem Frieden und Wohlstand auf der koreanischen Halbinsel" dienten. Die Regierung sei entschlossen, die gemeinsame Erklärung des bilateralen Gipfeltreffens vom 27. April umzusetzen.

Die für Mittwoch geplanten Gespräche auf hoher Ebene sollten auf der südlichen Seite des Waffenstillstandsdorfes Panmunjom stattfinden, um Folgemaßnahmen zu dem Gipfeltreffen der beiden koreanischen Führer im letzten Monat zu diskutieren. Durch die Gespräche wollte Südkorea versuchen, "die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung und einen dauerhaften Frieden zu schaffen".

"Komplette Denuklearisierung"

Doch offensichtlich sieht der Norden wichtige Voraussetzungen nicht erfüllt – und wirft den USA eine Mitschuld vor. Das Treffen zwischen Kim Jong-un und Trump – das erste direkte zwischen einem Staatschef Nordkoreas und den USA – soll in Singapur stattfinden und hatte Hoffnungen auf eine Lösung des Atomkonflikts, der zu einem der weltweit gefährlichsten gilt, genährt.

Vorausgegangen war dem das Gipfeltreffen Nord- und Südkoreas vom 27. April, das mit einer gemeinsamen Erklärung des Willens zu Frieden und Aussöhnung endete. Kim Jong-un erklärte sich bei seinem Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in unter anderem zum Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms bereit. Wie und bis wann die "komplette Denuklearisierung" erreicht werden soll, blieb unklar. (mesc, APA, 15.5.2018)