Georg Kargl: Wiener Kunsthändler, Galerist, Grantler. (Foto von 2002)

Foto: Regine Hendrich

Wien – "Wir haben uns vom Kunstmarktkarussell einfangen lassen", schrieb Georg Kargl 2017. Sein jüngstes Projekt – die "Gesellschaft für projektive Ästhetik" – stellte der Galerist in einem kleinen schwarzen Notizheft vor. Eine Kladde mit leeren Seiten, mit Raum für Gedanken, schien ihm das passende Medium zu sein für nun zentrale Begriffe: Entschleunigung, Reduzierung, Konzentration, Dialog. "Wir mussten oft zu schnell vorgehen, haben uns und andere überfordert."

Es war eine Neuerfindung. Ein Abwenden von einem kommerziellen Galeriemodell, in dem eine Ausstellung die andere jagt. Statt der "ziellosen Verbreitung von Werken" sollten "Information, Diskussion und Entwicklung von Utopien" wieder im Zentrum der Kunstvermittlung stehen. Ziel war, das Galerieprogramm auf 20 Künstlerpositionen zu verschlanken. Ein Kurswechsel, zu dem ihn vielleicht auch seine Krankheit bewog.

Dieses persönliche Plädoyer im Notizbuch liest sich auch als kritischer Seitenhieb auf den Kunstbetrieb – aber als ungewöhnlich sanfter. Denn Kargl war dafür berüchtigt, sich nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Brummig war er oft, ein echter Wiener Grantler, könnte man sagen. Man könnte es auch einfach engagiert nennen. In seiner ruppigen, direkten Art – er selbst nannte es "reduziert" statt "schwelgerisch" – nahm er sein Gegenüber in die Pflicht, forderte es. Dem "Antreiber der Wiener Szene" ging es um das Machen und um die Sache: also um das Kunstgeschehen, das er stets meinungsstark zu kommentieren wusste. Und es ging ihm um die Positionierung Wiens auf dem internationalen Kunstparkett.

Angetrieben hat er viele Jahre vor allem sich selbst. In kurzer Zeit habe er es geschafft, mit seiner Galerie "zu den wichtigsten für aktuelle Kunst in Europa aufzusteigen", lobte ihn der Direktor der Londoner Serpentine Gallery, Hans Ulrich Obrist, im Jahr 2005. Auch auf der Unlimited, dem für große, exklusive Projekte reservierten Teil der Kunstmesse Art Basel, stellte er aus.

Angefangen hat der 1955 in Wien Geborene mit einer Ausbildung zum Maurer und Zimmermann (seine Eltern führten einen Baubetrieb). Später studiert Kargl an der Universität für angewandte Kunst, bricht aber ab, als es notwendig wird, selbst Geld zu verdienen. Er handelt mit Antiquitäten, gründet in den 1980ern gemeinsam mit Christian Meyer die Galerie Metropol, die zunächst mit der Marke "Wien um 1900" reüssiert. In New York unterhält Kargl einige Zeit ebenfalls einen Raum.

1998 bereitet er mit Georg Kargl Fine Arts im Wiener Schleifmühlviertel für viele nachziehende Galerien den Boden. Heute floriert das Viertel. In den Räumen einer ehemaligen Druckerei zeigte Kargl, der mit der Künstlerin Inés Lombardi verheiratet war, Programm mit der Qualität und in den Ausmaßen einer Kunsthalle: Raymond Pettibon, Rosemarie Trockel, Clegg & Guttmann, Muntean/Rosenblum, Markus Schinwald, Andreas Fogarasi und andere.

Am Dienstag ist Georg Kargl nach langer schwerer Krankheit 62-jährig in Wien verstorben. Viel zu viele Seiten bleiben im Notizbuch des prägenden Protagonisten der heimischen Szene unbeschrieben. (Anne Katrin Feßler, 16.5.2018)