Reno – Schon Mitte der 1990er Jahre stellten Forscher bei der Untersuchung von Eisbohrkernen aus Grönland fest, dass dieses "natürliche Archiv" die Aufzeichnungen menschlicher Chroniken widerspiegelt: Langfristige Trends und plötzliche Einschnitte in der Entwicklung der Zivilisationen am Mittelmeer ließen sich auch am Eis ablesen – in Form der Bleiemissionen, die über 4.000 Kilometer und mehr in die Arktis transportiert worden waren.

Der Grund: Solche Emissionen waren ein Abfallprodukt der Silberverhüttung. Da Silber für die antiken Währungen eine wichtige Grundlage bildete, kann man den Silberabbau als Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung einer Ära heranziehen. Ein internationales und interdisziplinäres Forschungsteam hat die Untersuchungen aus den 90ern nun fortgeführt und ist dabei wesentlich stärker ins Detail gegangen. Die Daten, die einen Zeitraum von 1100 vor unserer Zeitrechnung bis ins Jahr 800 umfassen, enthielten diesmal nicht 18, sondern 21.000 Messungen der Werte von Blei und anderen Stoffen.

Historikerdisput entschieden

Laut den Forschern um Studienerstautor Joseph R. McConnell vom Desert Research Institute in Reno begannen die Bleiemissionen etwa ab 900 vor unserer Zeitrechnung anzusteigen, als die Phönizier in den westlichen Mittelmeerraum expandierten. Karthago und das junge Rom hielten die Werte auf einem relativ hohen Niveau, das Maximum wurde schließlich im 1. und 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung erreicht.

Damit entscheidet das Klimaarchiv einen alten Historikerdisput, berichtet der Archäologe Andrew Wilson aus Oxford: nämlich die Frage, ob es Rom während der Republik oder der Kaiserzeit wirtschaftlich am besten ging. Die Bohrkerne weisen darauf hin, dass die zunächst noch prosperierende römische Wirtschaft in der Spätphase der Republik – in ihren letzten 90 Jahren – einen Niedergang erlebte.

Höhepunkt und Niedergang

Danach ging es deutlich bergauf: Seine größte Wirtschaftskraft erlebte Rom in der Zeit der Pax Romana, die von der Herrschaft Kaiser Augustus' an etwa 200 Jahre dauerte. Gegen Ende dieser Phase kam es zu einem an den Bleiwerten deutlich erkennbaren Einbruch – zeitlich fällt dieser mit der Ausbreitung der sogenannten Antoninischen Pest zusammen. Ein knappes Jahrhundert später folgte auf diese noch die Cyprianische Pest.

Bei beiden handelte es sich um Pandemien, die von einem noch nicht identifizierten Erreger – möglicherweise Pocken – ausgelöst worden waren und die verheerende Folgen hatten. Vor allem die Antoninische Pest löste ein Massensterben aus, das zu wirtschaftlichem Niedergang führte. Die Bohrkerne aus Grönland spiegeln auch das wider: Erst 500 Jahre später, im Frühmittelalter, erreichten die Bleiwerte wieder das Ausmaß der frühen Kaiserzeit. (red, 18. 5. 2018)