Es war im Jahr 1971, als ein 27-jähriger Filmemacher in Cannes bei der Quinzaine des réalisateurs sein Debüt THX 1138, einen technopessimistischen Science-Fiction-Film, vorstellte. Sein Name: George Lucas. 47 Jahre später feierte mit Solo: A Star Wars Story der jüngste Satellit der populärsten Popmythologie des Kinos nun ebendort seine Europapremiere (Kinostart: 24. 5). Das Franchise, das es ohne diesen Mann nicht gäbe.

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Ein neuer Han Solo (Alden Ehrenreich) tritt in die großen Fußstapfen von Weltraumcowboy Harrison Ford. Fellknäuel Chewbacca ist auch dabei.
Foto: Jonathan Olley / Lucasfilm

Festivals schmücken sich gerne mit solchen Zyklen. Wenngleich es Solo: A Star Wars Story vor allem deshalb ins offizielle Programm geschafft hat, um auch Kaufkraft jenseits der Welt des Arthouse-Kinos anzulocken. Für die auf große Deals schielenden Brancheninsider gibt es von solchen Blockbustern heuer in Cannes zu wenig, Hollywood sei unterrepräsentiert. Das mag man auch als Zeichen einer wachsenden Kluft zwischen den Märkten lesen. Und für Oscar-Ware ist Cannes einfach zu früh.

Solo: A Star Wars Story eignet sich aber auch aus einem anderen Grund für das Festival, denn der Film nimmt selbst eine Legende ins Visier: In Solo geht es schließlich um die Vorgeschichte jener coolen Socke der Sternensaga, die immer mit Harrison Fords raubeinigem Charisma verbunden bleiben wird. Sein Nachfolger Alden Ehrenreich schlüpft mithin in große Stiefel, immerhin hat er dabei den Vorteil der Zeit. Er muss nämlich erst zu dem hartgesottenen Abenteurer reifen, zu dem Han Solo dann später werden wird. Zu Beginn hat er noch nicht einmal seinen vollen Namen: Der blauäugige Han heuert als Soldat an und wird einfach Solo getauft, weil er seinen Familiennamen noch gar nicht kennt.

Star Wars

Das Solo für den neuen Helden durchlief eine unebene Produktion: Die beiden Lego-Movie-Regisseure Phil Lord und Christopher Miller wurden während des Drehs gefeuert, Routinier Ron Howard (Inferno) übernahm das Steuer. Ansehen tut man das dem Ergebnis nicht: Solo macht einen homogenen Eindruck und rafft sich in seinen gelungensten Passagen sogar zur dynamischen, sympathisch aufgerauten Space-Opera auf. Das Handlungsgerüst dafür bereitet ein Heist-Movie-Plot: Gemeinsam mit dem knurrenden Fellknäuel Chewbacca sowie Neuzugängen Beckett (Woody Harrelson, stets eine Bereicherung) und seiner Jugendliebe Qi'ra (Emilia Clarke) muss Solo den Treibstoff Coaxium für ein kriminelles Syndikat besorgen. Ein Söldnerauftrag, durch den Solo erst in die Rolle des Piloten wächst – und in ihm ein Bewusstsein für Gerechtigkeit.

Architekt des Körpers

Das Um und Auf dieser Spezies Weltraumdramen ist die Qualität der Attraktionen. Einzelne Sequenzen mögen zu ausufernd geraten sein, doch insgesamt bieten Zugkaperungen vor Bergkulissen oder monströse Begegnungen im Sternennebel einiges Material für Adrenalinschübe. In den zügigen, professionell exekutierten Momenten ist Solo als selbstsicheres Spektakelkino ganz bei sich selbst, auch wenn Anakin Skywalker und die Macht keinen Auftritt haben.

Aus einer anderen Galaxie ist Lars von Triers The House That Jack Built in Cannes gelandet. Angekündigt als Gewaltschocker um den blutigen Alltag eines Serienmörders (Matt Dillon), erweist sich der Film des Dänen mehr als Reflexion über das Böse und den Zusammenhang von Kunst und Wahnsinn. Es wird zwar auch zerquetscht, gewürgt und erdolcht, doch von Trier geht es mehr um den Meta-Dialog der Bilder.

Die im Tonfall changierenden Episoden über Jacks Triebtaten – ausgelöst (und behindert) durch Zwangsstörungen – werden von Jack und Verge (Bruno Ganz) analysiert, selbiger eine Art Fährmann in die Unterwelt, der dem Nihilismus des Serienkillers widerspricht. Jack betrachtet sich als Architekt, als Kreativer, der aus den Körpern etwas Bleibendes erschaffen will. Von Trier malt sich die Lächerlichkeit dieser Unterfangens mit abgründigem Humor aus. Und meint es bitterernst. (Dominik Kamalzadeh, 16.5.2018)