Der Verteidiger des Erstangeklagten, Alexander Todor-Kostic (links), und Georg Schuchlenz (Dritter von links), der den jungen Bootsführer vertritt, versuchten mit Gegengutachten die Thesen des Gerichtsgutachters zu entkräften – ohne Erfolg.

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Ein Horrortrip über den Wörthersee. Vier dicke Freunde, alle in gehobenen beruflichen Positionen, chartern sich an einem schönen Junitag des Vorjahrs ein Motorboot für eine Spritztour auf dem Wörthersee.

Zuerst tankt die Runde ordentlich auf. Hafencola (Rum), Bier, Wein, Gin Tonic. Holladrio, und los geht's – mit dem 335-PS-Geschoß Malibu Response TXI. Hier ein Dreher, dort ein spektakulärer rechter Powerturn, und plötzlich wuchtet es einen von ihnen vom Boot. Und irgendwer hat vorher noch den Rückwärtsgang eingelegt. Der Mann im Wasser versucht zum Boot zu kommen und gerät mit den Händen und dem Kopf in die Schiffsschraube. Große Teile werden dabei "weggefräst", wie der Gerichtsmediziner später in seinem Bericht vor dem Klagenfurter Gericht festhält, das den tödlich-b'soffenen Unfall seit einem Monat untersucht und vor der Frage steht: Wer trägt für diesen Unfall die Schuld? Das Gericht befindet am späten Mittwochabend: der hauptangeklagte prominente Topmanager.

Die Staatsanwaltschaft hatte von Beginn an den ehemaligen Medienmanager und Unternehmer aus Niederösterreich dafür verantwortlich gemacht, dass er den Unfall durch ein höchst riskantes Fahrmanöver verursacht habe. Fahrlässige Tötung, sagte die Staatsanwaltschaft. Dem stimmte Richter Matthias Polak zu und urteilte: zehn Monate unbedingt wegen grob fahrlässiger Tötung für den Unternehmer, drei Monate bedingt für den zweitangeklagten jungen Bootsführer wegen fahrlässiger Tötung.

Gutachter belastet schwer

Der 45 Jahre alte Manager hatte stets darauf beharrt, dass er selbst aus dem Boot gefallen sei, nachdem ihm das spätere Opfer mächtig ins Lenkrad gegriffen habe. Eigentlich habe dieser, sein bester Freund, damit den Unfall verursacht. Der Staatsanwalt ätzte im Schlussplädoyer, das Opfer habe sich wohl "selbst getötet". Die anderen beiden Freunde hinten im Boot haben nicht viel mitbekommen.

Mitangeklagt war ein junger Bootsführer, der vom reichen Bootsbesitzer mitgeschickt worden war, um die illustre Runde zu begleiten. Er musste sich wegen Verletzung der Aufsichtspflichten verantworten.

Die wohl schwerste Belastung für den Hauptangeklagten hatte der technische Gerichtssachverständige Hermann Steffan am letzten Verhandlungstag im Gepäck. Er schloss aufgrund seiner Expertisen aus, dass der Angeklagte aus dem Boot gefallen sei. Er habe penible Berechnungen angestellt – auf Grundlage exakter Bewegungsmessungen mit dem Unfallboot. Auch habe er "Mehrkörpersimulationen" angewendet, wie es in der Automobilindustrie, bei Autounfällen und Fensterstürzen weltweit üblich sei.

Er habe zudem mit erfahrenen Bootslenkern alle nur denkbaren Manöver auf dem Wörthersee nachgestellt, mit Höchstgeschwindigkeiten und riskanten Turns, aber in keiner einzigen Variante "konnte auch nur annähernd rekonstruiert werden, dass der Hauptbeschuldigte ins Wasser gefallen sein könnte. Wenn der Lenker normal im Stuhl sitzt, gibt es keine Version, in der er aus dem Boot herausgeschleudert wird." Steffan blieb dabei, auch als die Verteidigung im letzten Moment noch Fotos auftischte, die einen höhergestellten Lenkersitz zeigten als Beweis, dass es eben doch möglich gewesen sei, dass der Angeklagte einen unsicheren Halt gehabt hätte und bei der angenommen Schiffsneigung durch den Turn hinausgefallen sei. "Nein, auch dann nicht", blieb der Gutachter ungerührt. Es sei denn, der Angeklagte sei hinausgesprungen.

Angeklagter ändert Aussage

Dieser sitzt an diesem Gerichtstag ernst versunken auf der Anklagebank, massiert sich immer wieder die Schläfen und ändert dann leicht seine Aussage: Jetzt erinnere er sich, er habe sich kurz vor dem Unfall erhoben, um seinen Freund, der ins Ruder griff, abzuwehren. Er sei also nicht mehr sicher im Sitz gesessen.

Es entwickeln sich heftige Dispute zwischen Verteidigung, dem Gutachter und den von der Verteidigung herangezogenen Privatgutachtern. Als diese zuletzt auch noch die Handverletzungen des Opfers in Zweifel ziehen, ordnet Richter Matthias Polak ("Es reicht mir bald, der halbe Arm war weg") eine Abkühlungspause an.

In seinem Schlusswort sagt der Angeklagte, er sei erschüttert über das ganze Verfahren. Die Ausführungen des Gutachters seien "abstrus" gewesen. Er deutet nebulos "politische Interessen" an, sein Anwalt Todor-Kostic kündigt Berufung an. Der Fall wandert nun in die nächste Instanz. (Walter Müller aus Klagenfurt, 16.5.2018)