Wer gewinnt im Kräftemessen zwischen den USA und Europa?

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Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (li.) und der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif bei den Gesprächen.

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Laut EU-Kommissionspräsident Juncker soll die Notfallverordnung am Freitag in Kraft treten.

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Brüssel – Die Europäische Union geht auf Konfrontationskurs mit den USA unter Präsident Donald Trump. Am Donnerstag deutete sich eine deutliche Verschärfung der transatlantischen Spannungen an. Die EU-Kommission hat angekündigt, eine Verordnung aus dem Jahr 1996 zu reaktivieren. Mit dieser wird es europäischen Unternehmen bei Strafandrohung untersagt werden, sich an die von den USA verhängten Sanktionen gegen den Iran zu halten.

US-Präsident Donald Trump hatte in der vergangenen Woche den Ausstieg seines Landes aus dem Atomdeal mit dem Iran besiegelt. Eine Folge davon ist, dass europäischen Unternehmen, etwa Banken und Energiekonzernen, empfindliche Strafen in den USA drohen, wenn sie weiterhin Geschäfte mit iranischen Partnern tätigen.

Exit untersagen

Europäischen Unternehmen bleiben 90 Tage Zeit, um aus Iran-Deals auszusteigen. Im Energie- und Finanzsektor sind es 180 Tage. Die geplante EU-Verordnung wird europäischen Unternehmen aber den Exit untersagen. Europäischen Firmen wird zudem das Recht auf Schadenersatz eingeräumt, wenn sie wegen der US-Sanktionen Einbußen erleiden.

Das Abwehrgesetz war bereits 1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen worden. Laut EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist das Ziel, dass die neue Verordnung einsatzbereit ist, wenn die ersten US-Sanktionen am 6. August wirksam werden.

Entschädigungen für europäische Unternehmen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei einem Treffen der EU-Staats- und -Regierungschefs in Sofia, dass umfassende Entschädigungen für europäische Unternehmen, die unter den US-Sanktionen leiden, nicht möglich sein werden.

Die iranische Regierung will nur dann weiter an dem Atomabkommen festhalten, wenn die Europäer garantieren können, dass die Wirtschaftsbeziehungen und der Kapitalverkehr erhalten bleiben. Die Gegenmaßnahmen der EU sind also der Versuch, den Atomdeal zu retten.

Pläne gegen Strafzölle

In Sofia schmiedeten die Staats- und Regierungschefs auch Pläne für die Aussicht, dass Washington ab 1. Juni die im Mai ausgesetzten Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der EU in Kraft setzen.

"Wir wollen eine unbefristete Ausnahme von den Strafzöllen", verkündete die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die gemeinsame Linie. "Ohne Konditionen, ohne Limits", fügte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hinzu. Man sei sich darin einig, kommentierte EU-Ratspräsident Donald Tusk das Geschehen. Er hatte zuvor – quasi in Trump-Manier – via Twitter in Richtung US-Präsident erklärt: "Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr." Als ginge es darum, sicherzustellen, dass es der Oberbefehlshaber jenseits des Atlantiks auch wirklich versteht, griffen die drei wichtigsten Nato-Partner in der EU zum Mittel symbolischer TV-Bilder.

Eintracht zeigen

Merkel, Macron und die britische Premierministerin Theresa May verzichteten bei der Ankunft zum Gipfel auf gepanzerte schwarze Limousinen. Stattdessen kamen sie zu dritt zu Fuß zum Kulturpalast, wo das Treffen stattfand, einträchtig nebeneinander spazierend.

Die Botschaft trotz Brexits: "Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren." Wie das genau gehen soll, wurde in der Nacht festgelegt. "Es bleiben uns ein paar Wochen Zeit, das Iran-Abkommen zu retten", berichtete Kanzler Sebastian Kurz.

"Die Pistole von der Schläfe nehmen"

Bei den Strafzöllen sieht der gemeinsame Beschluss vor, dass die EU zwar bereit sei, über Zugeständnisse in den Handelsbeziehungen mit den USA zu verhandeln, aber erst, wenn Trump zuvor eine definitive Ausnahmeregelung für seine strategischen EU-Partner macht und "die Pistole von der Schläfe nimmt", unbesehen davon, was er mit China und anderen Ländern in der Welt tut. Die EU-Kommission ist beauftragt, entsprechende Maßnahmen vorzubereiten, damit rechtzeitig vor dem 1. Juni Entscheidungen fallen können.

Sie wird bei der WTO mögliche Gegensanktionen präventiv anmelden. Wie Diplomaten dem STANDARD erklärten, könne Trump damit rechnen, dass man seinen Forderungen etwa nach Handelserleichterungen oder Abschaffung von höheren Zöllen auf US-Autos, die in die EU exportiert werden, in Verhandlungen entgegenkommt: "Er muss aber den ersten Schritt setzen, Strafzölle zurücknehmen."

Flüssiggas exportieren

Auch sei angedacht, dass die USA in größerem Ausmaß Flüssiggas nach Europa exportieren können, eine heikle Frage, die seit Jahren verhandelt wurde. Zu Gesprächen über eine Reform der WTO zeigt sich die EU bereit.

Russlandgeschäft bedroht

US-Sanktionen bedrohen auch die Russlandgeschäfte europäischer Firmen – aber dies tut nun auch Moskau, und dies mit ähnlichen Waffen wie Washington. Der Kreml will die Einhaltung westlicher Sanktionen auf russischem Gebiet strafrechtlich verfolgen. Ein entsprechendes Gesetz wurde Dienstag in erster Lesung von der Duma verabschiedet. Wer sich demnach in Russland an die westlichen Sanktionen hält, dem drohen nicht nur 8.000 Euro Strafe, sondern auch bis zu vier Jahren Haft.

Immerhin tritt die Duma nun erst einmal auf die Bremse: Die für Donnerstag geplante zweite Lesung wurde auf nächste Woche verschoben. Er wolle sich vorher noch einmal die Meinung der Experten in den Ausschüssen anhören, begründete Duma-Chef Wjatscheslow Wolodin den Aufschub.

Zuvor hatte es scharfe Kritik von der Wirtschaft gegeben: "Sollte die aktuelle, sehr hart formulierte Fassung der Gesetzesnovelle – wider Erwarten – doch in Kraft treten, so hätte dies starke negative Auswirkungen auf die Arbeit der österreichischen bzw. europäischen Unternehmen in Russland, aber noch negativere Auswirkungen auf die russische Wirtschaft selbst", warnte Österreichs Handelsdelegierter in Moskau, Rudolf Lukavsky. Die deutsche Wirtschaft monierte den "russischen Hammer auf den amerikanischen Amboss". Europäische Unternehmer müssten sich bei Annahme des Gesetzes vom russischen Markt zurückziehen oder riskieren US-Sanktionen. (Thomas Mayer, André Ballin, 17.5.2018)