Sie rinnt, zieht Schlieren, wagt sich vor auf benachbartes Terrain: Spinatgrün auf Maisgelb, Ocker auf zartem Aqua, grelles Azur auf Lachs, Stahlgrau auf Nachtblau. Die Farbe ist auf Thomas Reinholds Leinwänden in Bewegung. Die Spuren der Tropfen verführen zu Assoziationen mit Jackson Pollocks Drip-Paintings oder mit Schüttbildern von Hermann Nitsch, allein, mit aktionistischen Gesten hat Reinholds Malerei nichts zu tun.

Gebaute Bilder: Schicht für Schicht, Farbe für Farbe entstehen Thomas Reinholds Kompositionen ("Bild", 2017).
Foto: Jorit Aust

Ganz im Gegenteil. Wenn der 1953 in Wien geborene Künstler, der einst Österreichs "Neuen Wilden" zugerechnet wurde, Farbe auf die Leinwand schüttet, dann ist das ein höchst kontrollierter Prozess, der einem ganz klaren visuellen Konzept folgt. Die Feld um Feld aufgebrachte Farbe wird von ihm durch Anheben des Keilrahmens bewegt. "Transportieren" nennt Thomas Reinhold das. In der Wiederholung kommt es zu Überlagerungen, die je nach Liquidität der Farbe transparenter oder opaker geraten. "Kommunikation tritt ein", so Reinhold.

In diesem Dialog von Kalkül und Zufall entsteht eine dynamische Struktur; Elemente scheinen in entgegengesetzte Richtungen zu fließen. Verliert hier ein Raster seine Form, oder bewegt sich vielmehr das Formlose in Richtung geometrische Ordnung? Die Kompositionen sind irritierend unentschieden, rätselhaft, mit räumlichen Anklängen. Das macht aber auch die Faszination aus.

Reinholds Bildideen funktionieren aber auch, wenn er die Leinwand verlässt und sie ins Medium Glas transferiert. In den Kirchenfenstern für die Chappelle de la Résurrection in Brüssel gewinnt das Verschmelzende der Farben wieder neuen Charakter.

Prozesshaft, performativ

Das Moment des Unentschlossenen – eine Art Sowohl-als-auch – spiegelt sich auch im Titel der aktuellen Ausstellung in der Galerie Artemons: Geometrie des Amorphen. Die Galerie am Parkring ist neu am Wiener Parkett, gegründet wurde Artemons in Hellmonsödt. Das sei "ein Hügel vor Linz", scherzt Galerieleiter Herwig Dunzendorfer und erhellt so das Wortspiel im Namen: mons, lateinisch für Berg.

Zu sehen sind in der Schau überwiegend Arbeiten der letzten zwei Jahre, aber auch Beispiele, die bis ins Jahr 2006 zurückreichen und die Vielfalt von Reinholds verlebendigter Farbfeldmalerei offenbaren. Es ist das Prozesshafte – diese Zyklen von Schütten, Anheben und Trocknen –, das dem Bild auch etwas Performatives verleiht. Über den malerischen Vorgang hinaus ist es ein Agieren mit dem Bild, eine Bewegung im Raum. (Anne Katrin Feßler, 22.5.2018)