Eine Gruppe von Pakistanern wartet in einem Park in Sarajevo auf Schlepper, die sie weiter in die EU bringen. Immer mehr Migranten kommen über Montenegro oder Serbien nach Bosnien-Herzegowina.

Foto: Adelheid Wölfl

Sofia/Sarajevo – Sie sollen eine Art Bollwerk bilden, um die Migranten auf ihrem Weg nach Mitteleuropa aufzuhalten. Bei dem Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs der EU mit jenen der sechs südosteuropäischen Staaten, die nicht zur EU gehören, wurde am Donnerstag in Sofia eine verstärkte Zusammenarbeit bei der Migration und beim Grenzmanagement beschlossen.

Denn seit Wochen nimmt die Anzahl der Migranten, die über Serbien oder Montenegro nach Bosnien-Herzegowina reisen, zu. Sie alle wollen weiter in die EU, also nach Kroatien. Nun sollen EU-Verbindungsbeamte auf dem Balkan Daten zu den Identitäten der Migranten sammeln, die Kommission will eine Taskforce schaffen. "Unsere Zusammenarbeit bei der Eindämmung illegaler Migrationsströme hat ihren Nutzen unter Beweis gestellt und wird weiter ausgebaut", hieß es im Abschlussdokument des Gipfels.

Für die Südosteuropäer war der Gipfel in Sofia ernüchternd, denn das Wort Erweiterung durfte nicht einmal ausgesprochen werden. Von manchen erweiterungskritischen EU-Staaten werden die Südosteuropäer nur als Partner in Fragen der Sicherheit betrachtet.

Migranten zurückschicken

Die bosnische Regierung beschloss nun, mehr Beamte an die Grenzen zu schicken. Alle, die versuchten, illegal die Grenze zu übertreten, würden zurückgeschickt, kündigte Ministerpräsident Denis Zvizdić an. Die EU will, dass die Balkanstaaten selbst die Migranten in die Herkunftsländer zurückschicken.

Zurzeit befinden sich etwa 2.000 Migranten in Bosnien-Herzegowina. Der Park mit den gelben Stiefmütterchen im Herzen Sarajevos, direkt gegenüber dem Alten Rathaus, ist seit ein paar Wochen ein Lager geworden. Jede Gruppe hat ihren Baum, die Pakistaner schlafen in der Mitte, weil es hier am meisten Platz gibt und sie die größte Gruppe darstellen. Zelte stehen zwischen den Bäumen.

Die kleinen Colgate-Zahnpastatuben leuchten beinahe so kräftig wie die Stiefmütterchen. Die meisten der etwa 60 Leute hier kommen von einer der griechischen Inseln. Viele von ihnen haben dort Monate, manche sogar zwei Jahre verbracht, bis sie sich entschlossen haben, noch einmal zu versuchen, nach Mitteleuropa zu gelangen. Die allermeisten sind junge Männer. Viele der Paschtunen aus Pakistan wollen in Italien untertauchen. Sie wissen, dass sie in Europa keine Chance haben, Asyl zu bekommen.

Der 34-jährige Karim ist mit dem 22-jährigen Akil aus Kaschmir unterwegs. In Sarajevo warten sie, bis es Nacht wird und die Schlepper in den Park kommen, um sie dann nach Bihac an der kroatischen Grenze zu bringen. "Wir haben gehört, dass die kroatischen Grenzbeamten sieben Pakistaner geschlagen und ihnen die Handys zertreten haben, als sie an der Grenze aufgehalten wurden", erzählt Karim.

Von Polizei zurückgedrängt

Möglicherweise wollen die Grenzer auch verhindern, dass man in Österreich durch die Einlogdaten der Handys erkennen kann, dass die Migranten über Kroatien gekommen sind – denn dorthin könnten sie laut den Dublin-Regeln dann auch wieder zurückgeschickt werden. Karim und Akil sind bereits daran gewöhnt, von der Polizei zurückgedrängt zu werden. "Erst beim vierten Mal ist es mir gelungen, mich in der Nähe von Konitsa an der Grenze zu Albanien durchzuschmuggeln", erzählt Karim. Zwischen Griechenland und Albanien sind bei der EU-Grenzschutzagentur Frontex im vierten Quartal 2017 um 83 Prozent mehr Migranten registriert worden als im Jahr zuvor.

"Hybride Aktivitäten"

Die EU und die sechs "Westbalkanstaaten" vereinbarten am Donnerstag in Sofia auch eine stärkere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von "Desinformation und anderer hybrider Aktivitäten". In der EU hat man mit Sorge den wachsenden Einfluss von russischer, aber auch türkischer Propaganda auf dem Balkan wahrgenommen. Die EU will die eigene Einflusssphäre sichern und bekräftigte die "eindeutige Unterstützung der europäischen Perspektive des westlichen Balkans".

Entscheidend wird sein, ob der EU-Rat im Juni den Beginn von Beitrittsverhandlungen für Albanien und Mazedonien beschließt und Griechenland endlich sein Veto gegen Mazedonien aufgibt. Angesichts der historischen Reformen und Anstrengungen in beiden Staaten wäre dies angemessen, aber es gibt EU-Staaten, die sich nicht mit dem Balkan auseinandersetzen wollen und überhaupt gegen Erweiterung sind.

EU-Kommissar Johannes Hahn sagte in Sofia, es sei wichtig, auf die Reformerfolge in Albanien und Mazedonien in einer "raschen und positiven" Weise zu reagieren. Es ginge um die Glaubwürdigkeit der EU. "Manche Balkanstaaten sind Opfer ihres Images und ihrer Reputation", bedauerte er. Kürzlich informierte Hahn deswegen auch den Bundestag in Berlin. Neben Deutschland, Dänemark und den Niederlanden gilt auch Frankreich als besonders erweiterungskritisch.

In der Frage des Namensstreits zwischen Griechenland und Mazedonien gab es in Sofia zwar nicht den großen Durchbruch, doch die beiden Premiers Alexis Tsipras und Zoran Zaev einigten sich auf eine "Option" zur Lösung des Konflikts, der seit 27 Jahren besteht. Nun soll diese "Option" noch von den Parlamenten und den Präsidenten abgesegnet werden. Die nationalistische Opposition in beiden Staaten macht mobil dagegen. Der neue Name könnte "Nova Makedonija" lauten. Am Freitag sprach das mazedonische Internetportal A1ON davon, dass der Name "Republik Ilinden-Mazedonien" (Republika Ilindenska Makedonija) ein neuer Vorschlag Skopjes sein könnte.

Zwei Linke kooperieren

Die beiden Sozialdemokraten Tsipras und Zaev waren während des Gipfels ständig in Kontakt. Inhaltlich sollen strittige Punkte weitgehend geklärt sein. Athen stoppt seit 2005 die EU- und Nato-Integration Mazedoniens, weil eine Region im Norden Griechenlands ebenfalls Mazedonien heißt. (Adelheid Wölfl, 18.5.2018)