Jetzt hat ihn der Ruf der Wirtschaftskammer ereilt: Harald Mahrer folgt am Freitag Christoph Leitl an die Spitze der WKO nach.

Foto: Der Standard / Heribert Corn

Man könnte bei den bunten Hosenträgern beginnen. Die beachtlichen 1,94 Meter Körperlänge und den Hipsterbart erwähnen. Und schließlich die Haartolle des "Neuen" an der Spitze der Wirtschaftskammer ins rechte Licht rücken. Zu viel der Äußerlichkeiten? Harald Mahrer selbst scheint jedenfalls großen Wert auf sein äußeres Erscheinungsbild zu legen. Als DER STANDARD beim Antrittsinterview mit dem einstigen ÖVP-Staatssekretär vergessen hatte zu erwähnen, dass ein Fotograf mitkommt, war die Stimmung zunächst etwas frostig.

Das war 2014. Mahrer sollte bald darauf gemeinsam mit Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) eine "fast geile" Bildungsreform vorlegen. Das High Five bei der Präsentation war seine Idee. Inszenieren könne er, das bescheinigen dem einstigen PR-Fachmann alle, die für diesen Artikel ihr Mahrer-Bild teilen. Bloß wollte der etwas übermotivierte Handschlag nicht so recht zum bildungspolitischen Minimalkompromiss passen.

Political Animal

Doch der 45-jährige Schnellsprecher ist eben beides: Political Animal und gnadenloser Verkäufer. Feri Thierry, ein alter Weggefährte aus Studententagen und heute Politikberater, ergänzt: "Der Harald gehört zu den Menschen, die nicht nur zuschauen können, sondern die sagen: 'Wir müssen etwas tun!'" Das war schon während des Betriebswirtschaftsstudiums an der WU so – von 1995 bis 1997 war der AGler Mahrer dort Vorsitzender des ÖH-Teams. Das brachte ihn 2007 auch ins Wiener Café Eulennest zu jenem Treffen, das letztlich zur Gründung der Neos führte.

Mit deren Chef, Matthias Strolz, damals ÖH-Chef in Innsbruck, ist Mahrer ebenfalls seit Studententagen verbunden. Dass auch Mahrer zu den Pinken wechseln könnte, stand nicht wirklich zur Diskussion. Er habe zur Gruppe jener gehört, die die ÖVP von innen heraus verändern wollten. Auch sei Mahrer "ein Einser und kein Zehner", heißt es – und in der ersten Reihe hatten die Neos keinen Platz für den ehrgeizigen Wiener.

Er sei ein gescheiter Kopf, ein geschickter Netzwerker und ein ambitionierter Veränderer (Lieblingswort: Innovation), bescheinigen ihm Weggefährten unisono. Allerdings sei nicht immer klar, ob persönliches oder gesellschaftspolitisches Interesse bei ihm im Vordergrund stehe. Für Berater Markus Schindler, ein Langzeit-Wegbegleiter, mit dem Mahrer später unternehmerisch gemeinsame Sache machte, ist hingegen klar: "Der Harald versteht sich als zivilgesellschaftlicher Akteur."

Nach der Zeit als Studentenpolitiker wechselt Mahrer jedenfalls direttissimo in die Rolle als Assistent des Rektors und Forschungsassistent an der WU. Im Jahr 2000 gründet er die Beraterfirma Legend Consulting, 2005 verkauft er an Marktführer Pleon Publico und bleibt Geschäftsführer. Fünf Jahre später steigt Mahrer aus, gründet Anfang 2011 die Cumclave Unternehmensberatung. Damals wie heute ist er auch geschäftsführender Gesellschafter der HM Tauern Holding in Spittal an der Drau. Seine Frau Andrea Samonig-Mahrer ist Geschäftsführerin im dazugehörigen Privatspital.

Ideengeber

Politisch war Mahrer jahrelang nur Insidern bekannt, vor allem jenem Kreis von ungeduldigen Parteireformern, die frühzeitig auf den heutigen Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz setzten. Kurz war längst in der Spitzenpolitik angekommen, als Mahrer sich mit dem unbedankten Geschäft der Ideologie befasste. Mut! Wir sind dafür! lautete der Titel einer der Bücher, die Mahrer in einer Publikationsreihe der Julius-Raab-Stiftung veröffentlichte. Auch mit Mehr Freiheit. Mehr Verantwortung wies er als Leiter des Thinktanks (2011 bis 2015) den Weg, den die Volkspartei seiner Ansicht nach nehmen sollte.

Die schlanken Bücher blieben Lektüre für an politischen Grundsätzen interessierte Funktionäre. Damit aber wirkte Mahrer stark in die unter Josef Pröll angestoßene und erst unter Reinhold Mitterlehner abgeschlossene Programmdiskussion der Volkspartei hinein.

Dass die Raab-Stiftung der Thinktank des Wirtschaftsflügels der ÖVP ist, mag ein Hinweis darauf sein, dass Mahrer den wirtschaftspolitischen Kurs der ÖVP zu beeinflussen wusste, bevor er als Mitterlehners Staatssekretär (ein Anlauf in den Nationalrat war 2013 misslungen) in die erste Reihe der Politik trat. Und aus dieser ersten Reihe wollte er nicht wieder weg. Für die Nationalratswahl 2017 ließ er sich nicht aufstellen: Wirtschaftsminister, der er damals in Nachfolge des zurückgetretenen Mitterlehner war, sei eine Funktion, in der man gestalten könne – viel mehr, als man das als Parlamentarier könne. Wenn Parteichef Kurz ihn in der Regierungsfunktion hätte haben wollen, wäre er wohl bereitgestanden. Die Alternative, die Wirtschaftskammer zu führen und wohl auch zu reformieren, erschien ihm aber schon länger attraktiv.

Schwieriger Chef

Kammerintern war seine Wahl umstritten, denn Mahrer ist bekannt dafür, etablierte Strukturen und Abläufe zu verändern. Im Ministerium galt er mehr wegen seines rauen Umgangstons als schwierig. Es heißt, er habe so viele Chauffeure verärgert, dass keiner mehr für ihn fahren wollte. "Er ist ein politischer Taktierer, der mit raschen Interventionen träge Systeme bewegen kann", sagt ein früherer Weggefährte. Ex-Ministerin Heinisch-Hosek hingegen findet: Trotz Veränderungswillen sei das "Festmachen von Entscheidungen" nicht seine Stärke.

Den Job in der WKO ist er mit einem Bekenntnis zur Pflichtmitgliedschaft angetreten. Ein Retrosignal oder ein Bekenntnis zu einem "Instrument der Stärke", mit dem Veränderungen eingeläutet werden können, wie Freund Schindler es sieht? Von Mahrers Wirken als Staatssekretär bleibt unter anderem die Reform des Stiftungsrechts. Die gefeierte Start-up-Förderung musste finanziell ebenso Federn lassen wie die von ihm gehypte Innovationsstiftung Bildung. (Karin Riss, Conrad Seidl, 18.5.2018)