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"Morgen, zehn Uhr früh", werde die EU-Kommission beginnen, ein Notprogramm zur Abwehr von US-Sanktionen gegen die europäische Wirtschaft, die Präsident Donald Trump nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran angekündigt hat, zu aktivieren. Mit dieser Ansage sorgte Jean-Claude Juncker zum Abschluss des EU-Gipfels für Furore – zumindest für kurze Zeit.

Denn das klang nach Entschlossenheit, nach Tatkraft. Wenn der Kommissionspräsident so konkret wird und Zeit und Ort einer anlaufenden Vergeltungsaktion nennt, dann muss da wohl was dran sein; dann würden die Europäer dem unberechenbaren Egomanen im Weißen Haus, der wechselweise droht und engen Partnern die Zusammenarbeit aufkündigt, endlich einmal konkret die Stirn bieten.

Das könnte und sollte man glauben. Es wäre auch absolut wünschenswert, wenn die Union als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt zeigen könnte, dass die ruppige Aufkündigung internationaler Verträge und Kooperationen unakzeptabel ist und ihren Preis hat.

Theoretisch wäre das auch möglich. Die EU will nicht nur das Iran-Abkommen unbedingt erhalten, auch wenn es Schwächen hat. Sie will gleichzeitig die von Trump angeordneten – vorläufig nur aufgeschobenen – US-Strafzölle bei Stahl und Aluminium abwehren.

Juncker kramte daher eine alte EU-Regelung von 1996 heraus, die darauf abzielt, Einschüchterungen abzuwehren. Demnach könnten europäische Firmen, die Opfer von US-Sanktionen werden, über den Umweg der EU-Investitionsbank entschädigt werden. Gleichzeitig könnte die Gemeinschaft Firmen bei Strafe verbieten, sich dem Diktat der USA zu beugen, wenn sie ihre Geschäfte im Iran stoppen.

Das Problem ist nur: Im wirklichen Leben wird es das nicht spielen.

Zersplitterte Außenhandelspolitik

Es dauerte nur wenige Minuten, ehe das Juncker'sche Szenario sofort wieder relativiert wurde. Man solle da nur nicht allzu große Hoffnungen wecken, warnte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ein paar Räume weiter. Eine umfassende Kompensation der Schäden sei auch gar nicht möglich.

Vielmehr würden europäische Konzerne, die in den USA tätig seien, im Zweifel aus dem Iran-Geschäft wieder aussteigen, das gerade erst zart wieder angelaufen war. Merkel, die eine große Zauderin ist, wenn es um ein gemeinsames Vorgehen in Krisen oder einfach auch nur um größere Schritte der EU-Integration geht, sprach damit den wunden Punkt an: Die gemeinsame Außenhandelspolitik ist zersplittert und wird anders als in den USA nicht von einer starken Außen- und Sicherheitspolitik gestützt.

Und: Wann immer die EU in eine größere Krise schlittert – wie vor zehn Jahren in die Eurokrise als Folge der weltweiten Finanzkrise –, ist sie darauf nur schlecht vorbereitet. Dann muss hektisch nachgebessert werden, muss an Richtlinien rumgeschraubt werden. Trump muss sich also nicht allzu sehr fürchten. Neben der schwachen Drohung haben ihm die EU-Regierungschefs in Sofia ohnehin eine ganz andere Botschaft ausgerichtet: Sie sind sehr offen für Nachverhandlungen, sowohl beim Iran-Deal als auch bei den Handelsforderungen des US-Präsidenten, "Ungerechtigkeiten" für US-Firmen beim Marktzugang in Europa abzustellen. Die EU-Staaten und die Kommission stehen Gewehr bei Fuß, wenn Trump auch nur einen halben Schritt zurück macht. In gewisser Weise hat er damit eigentlich schon gewonnen. (Thomas Mayer, 17.5.2018)