Harald Mahrer (links) hat Sebastian Kurz einiges eingeflüstert.

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Vergangene Woche wurde heftig im Verwaltungsrat des Arbeitsmarktservice um eine umstrittene Änderung gerungen. Regierungs- und Wirtschaftskammervertreter wollen bei älteren Lehrlingen, die in überbetrieblichen Werkstätten ausgebildet werden, den Sparstift ansetzen. Ein Punkt, der bei Arbeiterkammer und Gewerkschaft gar nicht gut ankommt. Vor allem über 18-Jährige mit Migrationshintergrund zählen zu den Personen, die bei Betrieben keine Lehrstelle bekommen und daher in den staatlichen Einrichtungen eine Berufsausbildung erhalten.

Nah an der Regierung

Das Novum an der Auseinandersetzung: Herrschte bisher im AMS eine konsensorientierte Politik vor, wurde diesmal kurzer Prozess gemacht. Wirtschaftskammer und Regierungsvertreter boxten die Kürzung der Entschädigung durch, indem sie die Arbeitnehmervertreter überstimmten. Die Sozialpartnerschaft hat unter Türkis-Blau deutlich an Stellenwert verloren. Diese Rahmenbedingungen gilt es im Hinterkopf zu haben, wenn über die künftige Rolle von Harald Mahrer an der Spitze der Wirtschaftskammer gesprochen wird, der heute das Amt von Christoph Leitl übernimmt. Er ist ein Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz, mehr noch: Wesentliche Inhalte des Regierungsprogramms decken sich mit den Kammerinteressen.

Gut für Mahrer und seinen künftigen Kurs: Er muss kein mühsames Lobbying betreiben, um sich bei der Regierung Gehör zu verschaffen. Ob Entlastung von Unternehmen, Arbeitszeitflexibilisierung, Entbürokratisierung oder eben mit dem AMS in Zusammenhang stehende Themen: Der Ex-Minister steht einem Regierungsteam gegenüber, das in den wichtigsten Fragen seiner Meinung ist.

Distanz zu Arbeitnehmern

Weniger gut für Mahrer und seinen künftigen Kurs: Der frühere Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft will auch in Zukunft an Pflichtmitgliedschaft und Sozialpartnerschaft festhalten. Damit entfernt sich seine Linie schon etwas von der Kurz-Doktrin, in deren Zentrum Reform steht, die freilich von links als Schwächung der Arbeitnehmervertretung interpretiert wird. Deutlich größer ist in dieser Frage der Abstand zur FPÖ, die sich ja im Wahlkampf die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in den Kammern auf die Fahnen geheftet hatte.

In der Wirtschaftskammer sehen Kritiker größeres Sparpotenzial.
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Auch wenn davon in den Regierungsverhandlungen so gut wie nichts übrig blieb: In manch heikler Frage dürfte die Wirtschaftskammer somit Einfluss bei politischen Entscheidungen verlieren. Da trifft es sich gut, dass es bei zentralen Themen keine Differenzen gibt: Die Reduktion der Krankenkassen auf fünf Träger beispielsweise, die nächste Woche präsentiert werden soll, entspricht ziemlich exakt einem Reformvorschlag, der von der WKO unter Leitl ausgearbeitet wurde. Und da die Regierung auch die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung nur rudimentär antastet, geht die Unternehmervertretung wahrscheinlich völlig unbeschadet aus dem Match hervor.

Heikle Punkte Arbeitszeit ...

Weit größer als die Differenzen zwischen Wirtschaftskammer und Regierung sind die Spannungen innerhalb der Sozialpartnerschaft. Mahrer gilt zwar als Verbinder zur Arbeitnehmerschaft, doch inhaltlich gibt es eine Kluft. Das wird sich nicht nur bei der Reform des Gesundheitssektors zeigen, sondern auch – und da noch viel stärker – in Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden am Tag steht auch unter dem neuen Präsidenten ganz oben auf der Wunschliste der WKO und praktischerweise auch im Regierungsprogramm.

... und Notstandshilfe

Wie Mahrer seine ebenfalls neuen Pendants – Renate Anderl hat gerade die Arbeiterkammer übernommen, Mitte Juni wird dann Wolfgang Katzian zum ÖGB-Präsidenten gekürt – zu Kompromissen bewegen will, ist unklar. Im zweiten Halbjahr stehen dann weitere Umwälzungen an. Mit der Abschaffung der Notstandshilfe will die Regierung tief in das sozialpolitische Gefüge eingreifen. Die Wirtschaftskammer hat den Kurs bisher unterstützt und erwartet sich von der Änderung mehr Anreize zur Annahme eines Jobs.

Renate Anderl an der Arbeiterkammer-Spitze und Wolfgang Katzian als künftiger ÖGB-Chef werden mit Mahrer das ein oder andere Hühnchen rupfen.
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Zukunft der Kammerumlage

Viel Konfliktpotenzial liegt auch in der von der FPÖ forcierten Verschlankung der Sozialpartner. Gut möglich, dass die Wirtschaftskammer mit der bereits beschlossenen Senkung der üppigen Umlagen um 100 Millionen Euro durchkommt, wie Insider meinen. Bei der Arbeiterkammer will man hingegen echte Einschnitte sehen. Womit Mahrer neuerlich vor der Entscheidung stehen wird, was ihm wichtiger ist: Solidarität mit der Regierung oder unter den Sozialpartnern. (Andreas Schnauder, 18.5.2018)