Man kann unter Häuslbauern getrost von zwei Lagern sprechen. Gemeinsam ist beiden: Sie verarbeiten den Baustoff Holz. Auch sichtbar auf der Fassade darf er zunehmend sein. Gespalten sind die Meinungen allerdings bei der Optik. In einem Häuslbauer-Forum im Internet heißt es etwa von einem User: "Mich wundert immer wieder, warum Leute schöne Häuser bauen und dann eine Holzfassade anbringen, die in kurzer Zeit vergraut, abdunkelt, fleckig wird." Ein zweiter Poster antwortet: "Gefallen dir auch alte Bauernhäuser und Heustadel nicht? Optisch find ich unbehandeltes Holz viel schöner, besonders bei modernen Häusern."

Holz verändert sich mit den Jahren. Häuslbauer schätzen diese Eigenschaft – oder verteufeln sie.
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Was die Häuslbauer online vermuten, bestätigen die Experten offline: Geht es um die Oberflächenbehandlung von Holzfassaden, gibt es in Österreich ein geschmackliches Ost-West-Gefälle. Das merkt auch, wer aufmerksam im Land unterwegs ist.

In Tirol etwa werden heute wie damals Gebäude mit unbehandeltem Holz verkleidet. Die farbliche Veränderung, die das Holz im Lauf der Jahre durchmacht, scheint die wenigsten Bauherren zu stören. Zumal sich die Neubauten vielerorts einreihen in eine Vielzahl von Häusern, die mit Holz gebaut oder verkleidet sind. Der Hausbau mit unbehandeltem Holz hat in den Alpen eine lange Tradition, die Patina gefällt.

Von der Witterung gezeichnet

"Man denke nur an alte Almhütten, die überall im Alpenraum zu finden sind. Die wurden nie irgendwie behandelt und werden genau aus dem Grund als schön empfunden. Sie sind von Sonne, Regen, Hagel und Sturm schwarz gebrannt", sagt Hermann Atzmüller, Bundesinnungsmeister der WKO für die Sparte Holzbau. Die jeweilige Verfärbung hängt übrigens von Faktoren wie Holzart, Standort und Himmelsrichtung der Fassade sowie Schutz vor direktem Regen ab.

Im Osten, so Atzmüller, würden die Menschen hingegen versuchen, die Witterung zu überlisten, indem sie das verbaute Holz behandeln. "Das funktioniert nur leider nicht." Es sei ein Irrglaube, dass Holz länger hält, wenn es gestrichen wird. Das sagt auch Roland Krause. Er ist Gebietsverkaufsleiter des Unternehmens Brunthaler-Baumhaus, das in Deutschland und Österreich Massivholzhäuser baut: "Wenn man Holz mit Lacken streicht, fängt es sogar an zu faulen, weil man ihm damit den natürlichen Witterungsschutz nimmt."

Grau, schwarz, fleckig – Holz altert unregelmäßig und bekommt mit der Zeit eine rustikale Anmutung.
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Nicht ganz derselben Meinung ist Gerhard Grüll. Er leitet die Abteilung Holzschutz und Bioenergie der Holzforschung Austria. "Beschichtungen haben eine eindeutige Schutzfunktion für das Holz. Es kommt dadurch zu weniger Quell- und Schwindbewegungen, weniger Rissen und weniger Erosion. Ist Holz unbehandelt, wird pro Jahr bis zu einem Zehntelmillimeter Substanz abgebaut."

Einmal streichen, immer streichen

Zwar ist auch Grüll der Meinung, dass Holz nicht unbedingt gestrichen werden muss. Wird eine unbehandelte Fassade allerdings einer behandelten – beide altern unter gleichen Bedingungen – gegenübergestellt, "hält die beschichtete länger", so Grüll.

Er empfiehlt mittel- bis dünnschichtige Anstriche. "Durch eine sehr dicke Beschichtung können Feuchtigkeitsnester provoziert werden. Das Holz ist dann quasi wasserdicht verpackt, und Feuchtigkeit kann nicht mehr austreten. So entsteht Fäulnis", sagt er und stimmt in diesem Punkt Roland Krause zu.

Wird Holz gestrichen, gilt jedoch eine Faustregel, die alle Holzexperten beinahe im selben Wortlaut wiederholen: Einmal streichen heißt immer streichen. Denn wird der Anstrich nicht alle paar Jahre wiederholt, wird das Holz noch fleckiger und ist optisch nicht mehr ansprechend, so Atzmüller.

Und er ist sich sicher: Beim Thema streichen oder nicht streichen spielt für die meisten Häuslbauer die Ästhetik die wichtigste Rolle. "Vielen Menschen gefällt Holz nicht, das natürlich vergraut."

Konstruktiv schützen

Einige Dinge gibt es dennoch, die Häuslbauer beachten sollten – egal ob das Fassadenholz behandelt wurde oder nicht. Zunächst, so Krause, sind für Fassaden vor allem Holzarten mit hoher Pigmentierung geeignet, also Douglasie oder Lärche, Fichte nicht unbedingt. Atzmüller erklärt: "Der Holzschutz an und für sich ist am besten konstruktiv gestaltet. Das heißt: Das Holz wird im Idealfall durch Vordächer etc. von der Witterung geschützt." Zudem muss beachtet werden, so Grüll, dass ausreichend Fugen vorhanden sind, damit die Fassade gut trocknen kann. "Wird das beachtet, hält Holz ewig. Das sieht man an 500 Jahre alten Bauernhäusern, die es überall in Österreich noch gibt", so Atzmüller.

Ob Alt oder Neu: Unbehandeltes Holz ist auf alten Wirtschaftsgebäuden sowie auf neuen Wohnhäusern zu finden.
Foto: Zimmerei Walter Brunthaler, Egglham

Insgesamt wird in ganz Österreich der Baustoff Holz zunehmend begehrter, das liegt auch daran, dass Nachhaltigkeit ein immer wichtigeres Thema für viele Bauherren wird. "Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, den wir in Österreich in großen Mengen zur Verfügung haben", sagt Atzmüller und gibt zu bedenken, dass es zwar Anstriche gibt, die gegen Vergrauung und Insektenbefall helfen, "das ist aber die absolute chemische Keule".

Im Bezug auf den Lebenszyklus des Materials bringe das nur Nachteile mit sich. "Nachdem Holz gestrichen wurde, ist ein Verbundwerkstoff entstanden, von dem man nicht weiß, wie er thermisch verwertet werden kann. Das löst wiederum Belastungen für die Umwelt aus." (Bernadette Redl, 21.5.2018)