STANDARD: Bei der vergangenen EU-Wahl haben die Neos mit Ihnen als Spitzenkandidatin 8,1 Prozent gemacht, das beste Neos-Ergebnis überhaupt. Sie sind Vizepräsidentin der Europäischen Liberalen. Jetzt wollen Sie aussteigen. Warum?

Mlinar: Ich habe mich entschieden, nicht mehr für die EU-Wahl im kommenden Jahr anzutreten. Das ist mir nicht ganz leichtgefallen, aber dieser Entschluss hat sich in den letzten Monaten gefestigt, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das auch mitzuteilen. Gerade jetzt, da sich innerhalb unserer Bewegung einiges ändert, möchte ich das auch klarstellen.

STANDARD: Was ist der Grund für die Nichtkandidatur?

Mlinar: Ich bin bekannt dafür, dass ich polarisieren kann. Ich bin grundsätzlich ein unbequemer Mensch, das hängt wahrscheinlich mit meiner Genese zusammen. Ich bin Kärntner Slowenin, ich war immer in Opposition zur allgemeinen Meinung.

Standard: Sie meinen, dass Sie innerhalb der Neos nicht nur Fans haben?

Mlinar: Ich fürchte, ich bin keine sehr gute Parteipolitikerin in dem Sinne, dass ich mich um Seilschaften und Netzwerke kümmere. Dazu kommt, dass man als Europaabgeordnete sehr viel abwesend ist, da ist die Kooperation und Kommunikation mit der Basis daheim nicht ganz so einfach aufrechtzuerhalten.

"Ich bin wahrscheinlich zu unbequem, zu unabhängig, zu unkontrolliert. Diese Eigenständigkeit kommt nicht immer gut an."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Also gibt es zu wenig oder keine Unterstützung in der eigenen Partei? Haben Sie sich von den Neos in Brüssel und Straßburg entfremdet?

Mlinar: Entfremdet ist wahrscheinlich zu viel gesagt. Aber man muss ganz offen sagen, dass ich innerhalb der eigenen Bewegung nicht ausreichend Unterstützung habe, um eine Kandidatur zur EU-Wahl so zu gestalten, wie ich mir das wünsche.

STANDARD: Gab es seitens der Neos Druck auf Sie, auf eine Kandidatur zu verzichten?

Mlinar: Sagen wir so: Es gab unterschiedliche Vorstellungen. Ich bin wahrscheinlich zu unbequem, zu unabhängig, zu unkontrolliert. Diese Eigenständigkeit kommt nicht immer gut an. Da haben die Neos andere Vorstellungen. Das hat man bei den Wahlen zum Vorstand im Jänner letztes Jahres schon gesehen ...

STANDARD: ... bei denen Sie parteiintern nicht unbedingt reüssieren konnten.

Mlinar: Das war ein klares Signal. Ich musste mich wirklich bemühen, um diese Wahl zu gewinnen.

STANDARD: Sie sind erst im dritten Anlauf und da nur mit 55,5 Prozent der Stimmen zur Stellvertreterin von Parteichef Matthias Strolz gewählt worden.

Mlinar: Ja, das war knapp. Und nicht schön. Da ist schon stark gegen mich mobilisiert worden.

STANDARD: Werden Sie sich das noch einmal antun und bei der Mitgliederversammlung im Juni wieder für die Funktion der stellvertretenden Parteichefin kandidieren?

"Man muss ganz offen sagen, dass ich innerhalb der eigenen Bewegung nicht ausreichend Unterstützung habe, um eine Kandidatur zur EU-Wahl so zu gestalten, wie ich mir das wünsche."
Robert Newald

Mlinar: Nein, ich werde nicht mehr für den Vorstand kandidieren. Das habe ich bereits mitgeteilt. Ich war die Stellvertreterin von Matthias. Das Wahlbündnis Neos und Liberales Forum war unsere Erfindung. Wenn er sich entschließt, die Funktion des Parteichefs zurückzulegen, ist es auch für mich richtig, diese Funktion aufzugeben.

STANDARD: Was halten Sie vom angekündigten Rückzug von Strolz? Sie haben das eher zurückhaltend kommentiert.

Mlinar: Ich schätze Matthias sehr. Wir haben eine unglaublich spannende und interessante Zeit hinter uns, wir haben ein sehr erfolgreiches Projekt auf den Weg gebracht, niemand hat uns das zugetraut. Ich schätze seine Energie und seine Vision, aber wir unterscheiden uns in einigen Punkten sehr. Den Rücktritt habe ich als zu früh empfunden. Auch wenn wir inhaltlich über Kreuz gekommen sind. Ein paar Aussagen von Matthias haben mir nicht gepasst, vor allem seine radikale Warnung vor dem Islam und einem anstehenden Bürgerkrieg. Diese Provokationen kann ich nicht nachvollziehen, da haben wir heftig darüber gestritten. Ich gehe nicht naiv durch die Welt, aber das widerspricht vollkommen dem, wofür ich als Politikerin stehe.

STANDARD: Was halten Sie von seiner potenziellen Nachfolgerin Beate Meinl-Reisinger?

Mlinar: Sie ist von Anfang an dabei. Sie ist eine unglaublich engagierte Politikerin mit einer unglaublichen Energie. Die Bewegung kann sich glücklich schätzen, jemanden wie sie zu haben.

STANDARD: Ist es denkbar, dass Sie dennoch für die EU-Wahl kandidieren, vielleicht außerhalb der Neos? Othmar Karas geht es mit der ÖVP ähnlich wie Ihnen mit den Neos. Ist es denkbar, dass Karas, Ulrike Lunacek und Sie sich zusammentun und gemeinsam antreten? Angeblich gab es da bereits Gespräche.

Mlinar: Das ist nicht mein Ziel. Ich bin loyal meiner Partei gegenüber, ich bin Mitbegründerin dieser Bewegung, ich werde sie nicht im Streit verlassen.

STANDARD: Wie viel Liberales Forum, deren Chefin Sie waren, steckt denn nach Ihrem Rückzug noch in den Neos drin?

Mlinar: Es ist nicht so, dass ich bei den Neos rausgeworfen werde. Es gibt noch ein paar Weggefährten aus dem Liberalen Forum, die bei den Neos aktiv sind, vor allem in Wien. Die liberale Politik als solche sollte sich nicht nur an Personen festmachen. Ich bleibe vorerst noch Präsidentin unserer Akademie, des Neos Lab, und werde dort inhaltlich arbeiten.

"Eine mögliche Koalition mit der FPÖ, wie sie Kurz nicht ausschließen konnte, hätte unsere Bewegung in die Luft gesprengt."
Robert Newald

STANDARD: Als 2016 eine gemeinsame Wahlplattform von Sebastian Kurz und den Neos verhandelt wurde, kam gerade von Ihnen und Beate Meinl-Reisinger starker Widerstand dagegen. Wie ist das gelaufen?

Mlinar: Ich war strikt gegen diese Allianz, es gab aber auch genügend andere, die sich da klar positioniert hatten. Mit Beate teile ich die leidenschaftliche Ablehnung der FPÖ. Wir sind beide auch der Ansicht, dass für uns eine Kooperation mit der ÖVP nicht passend ist. Ich bin grundsätzlich liberal und nicht konservativ. Eine mögliche Koalition mit der FPÖ, wie sie Kurz nicht ausschließen konnte, hätte unsere Bewegung in die Luft gesprengt. Letztlich hatte sich auch Matthias auch gegen eine Allianz mit Kurz entschieden. Wir haben dann die Kooperation mit Irmgard Griss gesucht.

STANDARD: Wer auch immer bei den Neos für die EU-Wahl antreten wird, was erwartet diese Person?

Mlinar: Das wird keine einfache Übung werden. Die Stimmung im Land ist EU-skeptisch bis EU-feindlich. Das ist über Jahre gewachsen und hat sich nicht gebessert, das tragen auch die Medien so mit. Das Hauptthema im Wahlkampf wird wieder Asyl und Migration sein, mit all den Emotionen, die da mitschwingen. Dabei könnte dieses Thema gelöst werden. Das Asylpaket liegt auf dem Tisch, es gibt eine Positionierung von Kommission und Parlament. Aber der Rat positioniert sich nicht.

STANDARD: Gerade auch in Österreich haben die Menschen den Eindruck, dass beim Flüchtlingsthema auf europäischer Ebene nichts weitergeht.

Mlinar: Natürlich nicht, weil sich die Regierungen nicht einigen wollen. Viel zu viele profitieren von diesem Thema. Es profitiert der Boulevard, es profitieren die rechtspopulistischen Parteien und Regierungen davon. Deswegen wird sich dieses Thema ganz schwer lösen lassen. Es blockieren die einzelnen Regierungen. Wenn ein Wunder geschieht, dann gibt es eine gemeinsame Positionierung während der österreichischen Präsidentschaft. Momentan deutet aber nichts darauf hin. (Michael Völker, 18.5.2018)