Im Vorjahr war die Pride in Beirut noch ein voller Erfolg.

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Beirut galt immer als so etwas wie der sichere Hafen für Homo- und Transsexuelle in der Region. Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in den repressiveren Ländern der arabischen Nachbarschaft verfolgt wurden, fanden in der libanesischen Hauptstadt Zuflucht. War doch der Libanon im vergangenen Jahr das erste arabische Land, das eine "Gay Pride"-Woche zuließ. Doch die Toleranz fand heuer ein jähes Ende. Denn am dritten Tag der Pride-Woche, die bis Sonntag hätte dauern sollen, erhielt Organisator Hadi Damien einen Anruf.

Die Lesung eines französischen Anti-Homophobie-Stücks wurde von der Zensurbehörde abgesagt. Am Veranstaltungsort, einem kleinen Beiruter Alternativtheater, wurde Damien, nach einer hitzigen Diskussion mit Vertretern der Behörde, wegen mutmaßlicher Unsittlichkeit sowie "Erregung öffentlichen Ärgernisses" zum Verhör mitgenommen. Nach einer 14-stündigen Verhörnacht unterschrieb Damien eine Erklärung, die mit sofortiger Wirkung alle restlichen Pride-Veranstaltungen absagte. Laut der Pressemitteilung seiner Anwältin war dies nötig, um Damien freizubekommen und weitere Anklagen zu vermeiden.

Rechtliche Grauzone

Dabei ist bis heute nicht klar, ob Homosexualität im Libanon verboten ist. Artikel 534 des Strafgesetzbuches verbietet widernatürlichen Geschlechtsverkehr. Der Artikel wird zwar regelmäßig verwendet, um Homosexualität im Land zu kriminalisieren, aufgrund der fehlenden Detaildefinition hängt die Umsetzung dieses Artikels jedoch vom einzelnen Richter ab.

2011 entschied ein Richter im nordlibanesischen Batrun erstmals gegen die Anwendung des Artikels in einem Verfahren gegen Homosexuelle. Im Jahr 2013 war die Libanesische Psychiatriegesellschaft der erste Fachverband der arabischen Welt, der Homosexualität nicht mehr als psychische Störung klassifizierte.

Trotz der ungeklärten gesetzlichen Lage führen innere Sicherheitskräfte immer noch häufig Razzien in Lokalen durch, die bekanntlich von homosexueller Kundschaft frequentiert werden. Darüber hinaus bleibt die stark kritisierte Anwendung von analen Untersuchungen bei mutmaßlich homosexuellen Männern – das Einführen von Metalleiern in den Anus, die dessen Enge testen sollen – eine fortwährende Polizeipraxis. Auch das Ergebnis der Parlamentswahlen Anfang Mai stärkte den konservativen Stimmen im Land den Rücken.

Regenbogen im Stadtbild

Dabei hat sich im vergangenen Jahr auch einiges in puncto Akzeptanz getan: "Im Vorjahr fühlte ich mich nicht wohl, die Regenbogenfahne an die Tür zu hängen. Ich hatte Angst, was die Leute sagen würden. Dieses Jahr habe ich gar nicht darüber nachgedacht, jetzt ist sie einfach Teil des Straßenbildes", erzählt Aline Kamakian, Besitzerin mehrerer armenischer Nobelrestaurants in Beirut, die seit mehr als acht Jahren mit ihrer belgischen Frau verheiratet im Libanon lebt.

In diesem Jahr war Kamakian Gastgeberin von Veranstaltungen, in denen die Rolle der Familie im Coming-out-Prozess junger Schwuler und Lesben angesprochen wurde. "Familie ist extrem wichtig in einer Gesellschaft wie der libanesischen, in der man nicht auf die Unterstützung des Staates zählen kann."

Deshalb will sich die queere Gemeinschaft von der Absage auch nicht aufhalten lassen. Damiens Verhaftung und die Absage der restlichen Veranstaltungen der Beirut Pride wurden von vielen Seiten – einschließlich internationaler Organisationen und ausländischer Botschaften – scharf verurteilt.

"Dieser Rückschritt hat uns dazu gebracht, unsere Unterschiede innerhalb der Gemeinschaft beiseitezulegen", sagt Dayna Ash, Betreiberin eines inklusiven künstlerischen Raums, der während der Pride eine Veranstaltung zum Thema Transgender-Rechte veranstaltete. "Wir sind bereit, für unsere Grundrechte zu kämpfen. Wir wissen, dass wir einander unterstützen müssen. Zusammen sind wir stärker." (Zsolt Sereghy aus Beirut, 19.5.2018)