Bei der Puls-4-Serie "2 Minuten 2 Millionen" konnten die Gründer prominente Investoren ins Boot holen.

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Innerhalb einer Woche kam es gleich zu zwei Insolvenzanmeldungen prominenter Start-ups. Erst verkündete das Wiener Unternehmen Zoomsquare, das sich auf Wohnungsvermittlung spezialisiert hatte, pleite zu sein. Kurz darauf folgte Rublys, ebenfalls aus Wien. Dieses bot digitale Rubbellose an, die Unternehmen als Marketingmöglichkeit nutzen konnten. User konnten so an Gewinnspielen teilnehmen. Enorm hohe Investitionen und Förderungen, auch aus öffentlicher Hand, wurden in die Unternehmen gesteckt, der Erfolg blieb aber aus.

Eine Seltenheit ist das nicht – ungefähr eines von zehn Start-ups hat Experten zufolge wirklich Erfolg. Für die österreichische Szene kommt zudem dazu, dass private Investoren sehr selten sind. Warum sind aber so viele Start-ups dem Untergang geweiht?

Teams passen nicht zusammen

Dejan Jovicevic ist Gründer und Herausgeber von "Brutkasten", einem Medium über Start-ups und Innovation, und befasst sich daher seit Jahren mit der österreichischen Start-up-Szene. Aus seiner Sicht ist eine sehr häufige Ursache, dass Teams nicht zusammenpassen und es zu Gründerstreit kommt, wie er dem STANDARD erklärt: "Oliver Holle, der Chef von unserem [Österreichs] größten Venture Capital, Speedinvest, meinte unlängst: 'The first five employees will make or break your start-up.' Er spricht damit das wesentlichste Thema überhaupt an: ein gutes Team. Ohne das hat man keine zu Chance zu bestehen."

Anschlussfinanzierung und Liquidität

Ein weiterer Grund seien Liquiditätsprobleme. "Investoren und Business Angels müssen sehr oft mit einer raschen Zwischenfinanzierung einspringen, um die Insolvenz abzuwenden. Darüber wird nicht viel gesprochen", sagt Jovicevic.

Ein speziell österreichischer Grund für das Scheitern von Start-ups ist die Anschlussfinanzierung. In den ersten zwei bis drei Jahren eines Start-ups gebe es hierzulande viele Möglichkeiten für sogenanntes Seed-Kapital, also etwa Förderungen, Business Angels und Seed-Investitionen. "Für die Wachstumsphase fehlt dann aber oft die Anschlussfinanzierung. Die muss man rechtzeitig vorbereiten und international aufstellen", erklärt er. Das war etwa bei der Plattform Zoomsquare einer der Faktoren, die das Unternehmen scheitern ließen. Trotz prominenter Investoren war es nicht möglich, ausreichend Anschlussfinanzierung zu erhalten. Zudem verlief der Wechsel aus dem B2C- in den B2B-Bereich erfolglos.

Durchhaltevermögen

"Österreich-spezifisch sehe ich aber auch eine unserer größten Stärken als potenzielle Schwäche: Unser Lebensstandard und Wohlstand bergen die Gefahr, dass einem der richtige Biss fehlt", so Jovicevic. Für Gründer seien viel Durchhaltevermögen, hohe Durchsetzungskraft und die Fähigkeit, Rückschläge auszuhalten und motivierter wieder aufzustehen, notwendig. Man müsse über viele Belastungsgrenzen springen, um erfolgreich zu sein. "Das will sich nicht jeder antun, schon gar nicht, wenn man es im Grunde nicht nötig hat, 'weil es eh super läuft' und man spannende, auch gut bezahlte Jobs als Alternative hat."

Zu kleine Probleme gelöst

Start-ups rühmen sich oft damit, Probleme zu lösen. Wichtig ist es aus diesem Grund, dass es sich um Probleme handelt, die nicht schlicht zu klein sind. "Es ist sicherlich essenziell, eine Idee aufzugreifen, die ein echtes und kein Scheinproblem löst. Oft funktioniert es am besten, wenn Gründer ein Problem lösen, das sie selber haben." Als Beispiel nennt er das Wiener Start-up Mysugr.

Die Firma wurde im vergangenen Jahr vom Schweizer Pharmagiganten Roche übernommen. Der Kaufpreis wird geheim gehalten, allerdings wird von bis zu 200 Millionen Euro gemunkelt. Die App wurde für Diabetiker entwickelt, damit diese ihren Blutzuckerspiegel im Blick behalten können. Die Gründer des Unternehmens sind selbst Diabetiker.

Umsetzung kritisch

Aber auch die Umsetzung sei essenziell. "Die beste Idee dieser Welt ist hilft einem nichts, wenn das Team sie nicht entsprechend umsetzen kann." Start-ups müssten sich von Beginn an die Frage stellen, ob das Problem, das sie lösen wollen, relevant für den Kunden ist. "Wenn es lediglich nice-to-haves sind, auf die niemand warten, wird es schwierig", so Jovicevic.

Im Falle der Rubbellos-App Rublys konnte sich das Geschäftsmodell nicht bewähren. Die Umsätze waren nicht stark genug, weshalb Gesellschafter ausstiegen. "Rublys war sicherlich auf einem sehr schwierigen Markt tätig. Der Warenmarkt entwickelt sich rasant weiter, es kommen täglich neue Player und Produkte", sagt Jovicevic. Es scheine, als habe man keine richtige Antwort gefunden – oder zumindest nicht rechtzeitig umgesetzt. Aber: "Die Linie zwischen Erfolg und Misserfolg ist hauchdünn." (Muzayen Al-Youssef, 4.6.2018)