Architektin, Designerin, Erfinderin, Professorin am MIT Media Lab und Freundin von Brad Pitt: Neri Oxman.

Foto: Birgit und Peter Kainz

Wien – Die Gäste zeigen nonchalant Desinteresse, spielen mit ihren Handys oder pflegen schnell noch ihre Sozialkontakte, bevor es losgeht. Eigentlich ist alles wie immer bei so einem Festakt. Die Universität für angewandte Kunst Wien feiert 150-Jahr-Jubiläum. Und wahrscheinlich sind die "Festgäste" auch schon vor 150 Jahren, während auf der Bühne noch eine Komposition uraufgeführt wurde (so wie nun die Fanfare Sound Call von Johannes Kretz), ihren Platz suchend durch die Reihen geirrt.

Aber dieser Festakt ist doch ein wenig anders. Neri Oxman hält eine Lecture zum Thema "Material Ecology". Frau Oxman ist Architektin, Designerin, Erfinderin und Professorin am MIT Media Lab, was für sich genommen schon ziemlich viel ist. Gala, Bunte und andere einschlägige Society-Fachmedien wissen aber noch mehr: Die "smarte Professorin" soll die neue Freundin von Brad Pitt sein. "Ja, sie sind ein Paar" (Bunte), sie "telefonieren mehrmals am Tag" und planen einen "Liebesurlaub" in Europa.

Und jetzt steht die "hübsche Wissenschafterin" und mutmaßliche Nachfolgerin von Angelina Jolie und Jennifer Aniston in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien. Es ist, als hätte jemand eine Folie über den dritten Bezirk gelegt, als schwebte da plötzlich Traumfabrikglamour über der kulturpolitischen Routine. Ist Brad am Ende auch in der Stadt?

Bundespräsident, Kulturstadtrat und Bildungsminister machen Oxman ihre Aufwartung, und es fühlt sich ein bisschen an wie bei Wetten, dass...?, wenn wieder mal ein Hollywoodpromi eingeflogen wird: Man hofft, dass sich niemand blamiert vor dem Gast aus Übersee.

Aber nein. Die Reden sind inhaltlich überzeugend, das Englisch souverän. Rektor Gerald Bast (der am Ende noch das Große Goldene Ehrenzeichen der Republik erhalten wird) kritisiert "eindeutige und einfache" politische Lösungen, uniformierte Bildungsstandards und sagt einiges, was man durchaus als Antwort auf
die Bildungspolitik von Minister Heinz Faßmann verstehen kann: "Es geht um mehr Bildung für mehr Menschen."

Philosophin Martha Nussbaum legt in einem aufgezeichneten Interview nach: Man müsse den Zugang zu höherer Bildung erleichtern, schließlich gehe es auch um die Bildung von Wählern und Staatsbürgern. Das Wort "Untertanenmentalität" ist ihr vermutlich unbekannt.

Das strahlende "Hi"

Mit einem strahlenden "Hi" betritt schließlich Oxman die Bühne. Ihr Vortrag würde wunderbar auf jede TED-Konferenz passen, was nicht ganz zufällig ist, schließlich tritt sie auch dort gern mal auf. Unterstützt von einer Präsentation, die bisweilen an eine Modestrecke erinnert, spricht sie in atemberaubendem Tempo über ihre Fusion von Kunst, Design, Architektur, Biologie und Technik, zwischendurch fallen Namen wie Dalai Lama und Björk.

Es geht etwa um von Roboterarmen geformte Materie aus Chitin und Apfelpektin. Die geladenen Magnifizenzen und Ehrengäste finden das Thema "mind-blowing" und visionär, was es natürlich auch ist. Zwar hätte man trotzdem gern erfahren, warum genau das jetzt ökonomischer und ökologischer sein sollte als andere Materialien – aber sei’s drum.

Interessanter ist doch etwas ganz anderes: Die immer wieder geforderte Transdisziplinarität erhält bei Oxman eine ganz neue Dimension. Es geht gar nicht darum, eine kluge Frau auf ihren Boyfriend zu reduzieren – sondern darum, dass sie dadurch plötzlich zu einer Vermittlerin wird, die die Grenzen zwischen Popkultur und Unterhaltung, Wissenschaft und Kunst fließend werden lässt. In gewisser Weise ist das eine Form der Demokratisierung. Die Gala kennt schließlich jeder, der lesen kann und Haare hat. Vielleicht hat sie darüber ja auch schon mal mit Brad am Telefon geredet. (Andrea Heinz, 18.5.2018)