Innsbruck/Wien – Alle Macht den Ländern. So lässt sich der Vorstoß in Sachen Bildungspolitik von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) zusammenfassen. Im Anschluss an die Landeshauptleutekonferenz, die am Freitag in Wien stattgefunden hat und in Sachen Föderalismusdebatte ohne großen Wurf beendet wurde, legte Platter gegenüber dem STANDARD nach: "Durch zentralisierte Strukturen lassen sich im Bildungssystem keine Qualitätsverbesserungen erreichen."
Die Lehrer den Ländern
Daher will Tirols Landeshauptmann das gesamte Lehrpersonal in den Bildungsdirektionen ausschließlich den Ländern unterstellen. Derzeit sind Bund und Länder dort gleichermaßen zuständig. Auch die Liegenschaftsverwaltung solle künftig Ländersache werden. Der Bund würde gemäß Platters Vorschlag weiter für die einheitliche Gesetzgebung zuständig bleiben. Dazu zählen etwa die Lehrpläne, die Bildungsinhalte, das Lehrerdienstrecht sowie die Lehrerausbildung und die Schulorganisation.
In der Praxis hieße das, die politische Macht über die Lehrer würde zur Gänze an die Länder übertragen. Bundeslehrer – derzeit gibt es in ganz Österreich knapp 40.000 –, würden zu Dienstnehmern der Provinzen. "Es gibt in Tirol mehr als doppelt so viele Landes- wie Bundeslehrer. Ich bin mir sicher, dass deren Verwaltung in einer gemeinsamen Zuständigkeitsbehörde bestens funktionieren würde", sagt Platter.
Ansage in Richtung des Bundes
Es sind Forderungen, die in Wien für Widerstand sorgen werden. Denn der politische Einfluss ist gerade im Bildungsbereich enorm. Zugleich kann die Forderung Platters als deutliche Ansage der Länder in Richtung Bundesregierung gewertet werden: Auch die schwarzen Länder stellen wieder Forderungen.
Obwohl die Pläne nicht ganz neu sind. In den vergangenen Jahren haben schon Platters Parteikollegen – etwa der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner und der ehemalige niederösterreichische Landeschef Erwin Pröll – für allmächtige Bildungsdirektionen in den Ländern plädiert.
Platter begründet seinen Vorstoß damit, "Parallelstrukturen bereinigen" zu wollen und "klare Verantwortlichkeiten dort anzusiedeln, wo sie am besten wahrgenommen werden können". Dass die geteilte Verantwortung von Bund und Ländern zu unnötigen Doppelstrukturen führt, bestätigen auch Experten aus dem Bildungswesen. Ob dieser Vorschlag allerdings allein dazu dient, sie zu entflechten, wird bezweifelt: Man könnte nämlich genauso gut alle Lehrer unter Bundesverantwortung stellen, wenn allein dieses Ziel im Fokus stünde. So bleibe der Verdacht, es gehe auch und vor allem um Macht über die Lehrer, formuliert es eine Bildungswissenschafterin.
Kein finanzieller Mehraufwand
Die Bildungsdirektionen allein den Ländern zu unterstellen würde auch in der Praxis Fragen aufwerfen. Denn Experten haben immer darauf hingewiesen, dass diese Direktionen nur Sinn ergeben, wenn sie länderübergreifend agieren. So funktionieren auch die Vorbilder in Skandinavien.
Hinsichtlich der Finanzierung dieses Vorschlags rechnet Platter damit, dass die Beseitigung der Doppelstrukturen Mittel freispielen würde. Ein finanzieller Mehraufwand wäre mit dem Systemumbau daher nicht verbunden. Es müssten mit den Kompetenzen lediglich auch die dafür nötigen Mittel wandern. Was der Tiroler Landeschef damit meint: Der Bund müsse freilich weiterhin zahlen. Ob dies im Rahmen einer neuen 15a-Vereinbarung passiert oder vorerst anders gelöst wird, sei auszuverhandeln, sagt Platter.
Abschaffen, was keiner kennt
Fest steht seit Freitag, dass Bund wie auch Länder den Artikel 12 der Bundesverfassung, der gemischte Zuständigkeiten regelt, abschaffen wollen – zumindest irgendwann. Reformminister Josef Moser (ÖVP) drängt darauf schon seit längerem. Auch einige schwarze Landeshauptleute hatten sich bereits im Vorfeld dafür ausgesprochen. Wiens scheidender roter Bürgermeister Michael Häupl sieht das eher pragmatisch: "Den kennt eh niemand außer ein paar Spezialisten", erklärte er Journalisten.
Konkret fallen unter Artikel 12 etwa das Armenwesen – also auch die Mindestsicherung -, der Spitalsbereich und das Elektrizitätswesen. Hier sei man sich noch nicht ganz einig, sagte Häupl. Die Lösung: eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Bis Jahresende sollen dann konkrete Ergebnisse vorliegen – spätestens. (Steffen Arora, Katharina Mittelstaedt, 18.5.2018)