Sebastian Kurz hatte recht. Wenn öffentliches Geld im Spiel ist, braucht es Transparenz, sagte Kurz. Das stimmt. Kurz sagte, Österreich stehe im internationalen Vergleich schlecht da, was Informationsfreiheit betrifft – da muss etwas getan werden. Das stimmt. Je mehr Transparenz, desto eher überlegt sich ein Politiker, wofür er Geld ausgibt, sagte Kurz. Das stimmt. Auch Betriebe im Staatseigentum dürfen sich nicht hinter dem Amtsgeheimnis verstecken, denn: Korruption findet oft in ausgelagerten Stellen statt, und Korruption mag den Scheinwerfer nicht, sagte Kurz, bevor er Kanzler wurde – es stimmt.

Doch der Standpunkt bestimmt die Perspektive. Kurz ist jetzt Regierungschef, und plötzlich ist ihm nicht mehr wichtig, dass die Regierung transparent ist. Mit seinem Sanktus können Ämter weiterhin verschweigen, wie viel ein Grenzzaun gekostet hat, wer welche Fördergelder bekommen hat oder gar, welcher Kandidat wie viele Vorzugsstimmen bekommen hat. Ein Lippenbekenntnis zur Abschaffung der Amtsverschwiegenheit gibt Kurz wohl weiterhin ab, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Zunächst einmal scheint aber alles andere wichtiger. Und der gelernte Wähler weiß: Was für das Ende der Legislaturperiode versprochen wird, kommt nie.

Hätten ÖVP und FPÖ die Informationsfreiheit jemals aufrichtig gewollt, hätten sie schon vor Jahren eine Lösung zustande gebracht. Auch die SPÖ stellte während ihrer Regierungszeit die Interessen roter Staatsbetriebe, bestimmter Bundesländer und sozialdemokratisch gefärbter Amtsstuben vor ein ehrliches Engagement für die Informationsfreiheit.

Tempo an den Tag legen

Mit juristischen Details und wichtigen politischen Fragen haben sich alle Beteiligten in scheinbar endlosen Verhandlungen schon ausreichend auseinandergesetzt. Die Koalition müsste sich nur noch entscheiden und jenes Tempo an den Tag legen, mit dem sie teilweise viel komplexere und heiklere Reformen umgesetzt hat.

Doch das tut sie nicht, und sie zeigt damit ihr Verständnis von Staat, Macht und Demokratie. Die Bevölkerung gibt für ihre Sicherheit einen Teil ihrer Freiheit an den Staat ab. Doch sie tut das als Souverän, sie hat Anspruch auf volle Transparenz bei denen, die sie regieren – um bei der nächsten Wahl auch eine fundierte Entscheidung treffen zu können. So funktioniert das im 21. Jahrhundert zumindest in modernen Staaten. ÖVP und FPÖ hingegen machen die Bürger zu Bittstellern, die sich grundsätzlich einmal nicht dafür zu interessieren haben, was die Herrschenden tun und vorhaben.

Es geht gar nicht vorrangig um Steuergeld oder Korruptionsvermeidung, wie Kurz in seiner Pro-Transparenz-Phase argumentierte: Es geht schlicht um eine angemessene Haltung der Verwaltung gegenüber dem Souverän. Zugegeben, das ist mit der Geisteshaltung mancher Beamter womöglich nicht kompatibel. Doch wer darin keinen Grund für ein neues Gesetz sieht, sondern ein Hindernis, der lässt die Republik in Strukturen verharren, die sie längst hätte überwinden müssen. Ein sorgsamer Umgang mit Steuergeld ist dabei genauso ein positiver Nebeneffekt wie die Verhinderung von Korruption.

Informationsfreiheit ist ein elitäres Thema. Die Massen wählen keinen Politiker wegen eines Transparenzgesetzes. Das sagte Sebastian Kurz 2013. Er hatte recht – und weiß das wohl auch heute noch. (Sebastian Fellner, 21.5.2018)