Wahlsieger Luigi Di Maio (li.) schickt den politisch unerfahrenen Rechtsprofessor Giuseppe Conte (re.) ins Rennen.

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Eine Regierung aus den beiden Anti-System-Parteien Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Lega ist am Montagabend um einiges wahrscheinlicher geworden: M5S-Listenführer Luigi Di Maio und Lega-Chef Matteo Salvini haben sich nach wochenlangem Hickhack definitiv auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten geeinigt und dessen Namen Staatpräsident Sergio Mattarella "einvernehmlich" unterbreitet.

Die neue Regierung soll demnach vom 53-jährigen Juristen Giuseppe Conte angeführt werden. Conte lehrt Privat- und Verwaltungsrecht an Universitäten in Florenz und Rom. In Wien hat er Deutsch gelernt.

"Historischer Moment"

"Ich denke, wir stehen hier vor einem historischen Moment", erklärte Di Maio im Anschluss an seine Unterredung Mattarella am Abend. Salvini betonte kurz darauf, man sei bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Ausländischen Politikern und Medien oder EU-Kommissaren, die bereits jetzt die kommende Regierung kritisierten, ehe sie mit der Arbeit begonnen habe, riet Salvini, sich auf ihre eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren: "Niemand muss sich vor unserer Regierung fürchten: Wir wollen mehr Wachstum, sichere Arbeitsplätze, weniger Steuern, mehr Sicherheit, mehr Zukunft." Man werde das Interesse Italiens und der Italiener ins Zentrum der eigenen Regierungstätigkeit rücken.

Der wahrscheinliche neue Regierungschef Conte war dem breiten Publikum bisher gänzlich unbekannt. In Juristenkreisen hat er aber einen Namen: Conte hat eine beachtliche akademische internationale Karriere vorzuweisen. Der Jurist gehört zwar keiner Partei an, steht aber Di Maios M5S nahe; er war schon vor Wochen auf einer hypothetischen Kabinettsliste der Fünf Sterne aufgetaucht: als "Minister für bürokratische Vereinfachungen". Nun soll also ein "Upgrade" zum Regierungschef erfolgen, obwohl ihm konkrete politische Erfahrung fehlt.

Kompromisslösung

Conte ist letztlich eine Kompromisslösung: Eigentlich wollten Di Maio und Salvini selber den Premiersposten haben. Die Regierungsbildung in Rom hat in erster Linie deshalb so lange gedauert, weil keiner der beiden Selbstdarsteller dem anderen den Vortritt lassen wollte.

Mit dem Top-Juristen Conte wird nun immerhin akademisches Prestige ins römische Regierungspalais einziehen – Di Maio und Salvini ihrerseits haben weder einen Beruf erlernt noch ein Studium abgeschlossen. Offen ist die Frage, wieviel der neue Premier überhaupt zu sagen hätte. Di Maio erklärte am Montag, dass der "wahre Leader" das gemeinsame Programm darstelle. Der Regierungschef sei lediglich der "Ausführende" des Koalitionsvertrags. Die tatsächliche Macht und Autonomie des neuen Ministerpräsidenten wird sich letztlich erst in der Regierungspraxis erweisen.

Di Maio und Salvini werden voraussichtlich gewichtige Ministerien besetzen. Der Politiker der Protestbewegung reklamiert das Arbeitsministerium für sich, wo er die gesetzlichen Grundlagen des von seiner Partei versprochenen Grundeinkommens schaffen will. Salvini wiederum will ins Innenministerium einziehen, wo er die von ihm versprochene "Italien zuerst"- und "Law-and-Order"-Politik umsetzen will: Massenausweisungen von Flüchtlingen, Aufstockung der Sicherheitsapparate sowie ein Gesetz, das es den Bürgern erlauben soll, im Fall eines Einbruchs auf den Eindringling zu schießen.

Schlüsselressort noch vakant

Noch offen ist die Besetzung des künftigen Finanz- und Wirtschaftsministers. Es handelt sich, nach dem Regierungschef, um die wohl wichtigste Personalie im künftigen Kabinett: Die von den Regierungspartnern versprochenen drastischen Steuersenkungen, die Senkung des Renteneintrittalters sowie die Einführung eines Grundeinkommens würden riesige Löcher in den ohnehin angespannten Finanzhaushalt Italiens reißen. Es wird allgemein angenommen, dass Staatspräsident Mattarella bei der Besetzung dieses entscheidenden Ministeriums ein wichtiges Wort mitreden und sicher keinen Euro-Gegner zulassen wird.

Akzeptiert der Staatspräsident den von Di Maio und Salvini vorgeschlagenen Conte, könnte er diesen schon am Dienstag formell mit der Bildung der neuen Regierung beauftragen. Der designierte Premier hätte dann ein paar Tage Zeit, eine Ministerliste zu erstellen, die von Mattarella ebenfalls noch genehmigt werden muss. Noch vor Ende dieser Woche könnte die neue Regierung vereidigt werden; danach müsste sie sich in den beiden Parlamentskammern den Vertrauensabstimmungen stellen.

Laut einer Umfrage begrüßen 60 Prozent der Italiener die neue Populisten-Koalition – weniger aus Überzeugung, sondern eher, "damit das das Warten ein Ende hat". (red, Dominik Straub aus Rom, 21.5.2018)