Foto: Aron Rosenfeld

STEFANIE SARGNAGEL: Aus dem Besuch des modern und interaktiv gestalteten Museums Arbeitswelt in Steyr (das unter dem Thema "unsichtbare Arbeit" weibliche Arbeit leider ein wenig ausspart) tragen wir die Erkenntnis, dass Arbeit wirklich das Allerletzte ist, und stellen uns wieder an die Autobahn, um das seit dem Mittelalter stattfindende Salzburger Dultfest als krönenden Abschluss unserer Reise in Angriff zu nehmen.

Peter H. bleibt stehen, und Aron, völlig ausgebrannt von der neuen Erfahrung des täglichen Schreibdrucks, fragt ihn verzweifelt: Haben Sie vielleicht eine Anekdote über Steyr zu erzählen? Oder sonst irgendwas Pfiffiges? Bitte! IRGENDWAS Lustiges! Erzählen Sie was, los!

Ich bremse sein Drängen ein bisschen und frage Peter, ob er öfter Autostopper mitnimmt. Er meint, klar, aus Prinzip immer. Er arbeitet als Manager eines Start-ups für eine geheime Friseurinnovation in Steyr und fährt gerade seine Kinder besuchen. Früher ist er selbst durch ganz Europa gestoppt: "Ich habe es geliebt, ich habe nie eine schlechte Erfahrung gemacht. Die Menschen heute haben viel zu viel Angst durch die ganzen Schreckensmeldungen, aber ich war immer angstfrei, das ist mein Prinzip, Nächstenliebe."

Dass er keine Berührungsängste mit Fremden hat, erzählt er, polarisiert in seinem Umfeld immer wieder. "Vor allem, wie soll ich sagen, die Leute, die den H.-C. Strache wählen. Das sind diejenigen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die sich oft an meiner Einstellung stoßen." Aber auch mit diesen habe er keine Berührungsängste, er möchte jedem Menschen vorurteilsfrei begegnen, einer seiner besten Freunde wähle zum Beispiel blau. In Wien sei man da stärker in einer Blase.

Ich finde mich in ihm wieder, auch mein reines Herz, mein unbeschwertes Gemüt und meine moralische Überlegenheit bescheren mir größte Ablehnung unter jenen, deren Weltbild von Garstigkeit, Verhärmung, seelischen Krämpfen und Verzwicktheit geprägt ist. Peter führt uns extra an die Autobahnabfahrt Sattledt, obwohl sie für ihn nicht am Weg liegt. Beim Autostoppen lernt man nur die nettesten Menschen kennen, denn das Mitnehmen miachtelnder Tagediebe ist uneigennützige Hilfsbereitschaft in Reinform.

Von Sattledt nimmt uns ein junger Biobauer mit, der auf dem Weg nach Brüssel zum EU-Parlament ist, um sich dort mit anderen Kleinbauern mutig gegen das schwarze Machtkartell aus Lagerhaus, Raiffeisenbank und industrieller Landwirtschaft zu stellen. In Salzburg angekommen ist das Dultfest, auf das wir uns lange gefreut haben, eine katastrophale Enttäuschung, lieblos und völlig kommerzialisiert ist dort von Brauchtum und Tradition keine Spur.

Unsere Reise endet hier, wir haben es in sieben Tagen nicht weit geschafft. Österreich ist, glaube ich, doch größer, als ich angenommen habe. Dachte, es wäre eher so ein Vorort von Penzing mit zwei, drei Seen, ein paar Thermenhotels und 76 Konzentrationslagern.


ARON ROSENFELD: Die tägliche Deadline setzt mich unter permanenten Erlebnismaximierungsstress. Ob der nächste Tag genügend Stoff für 1.000 hingerotzte Zeichen hergibt, lässt sich am Vorabend noch kaum abschätzen. Seit gestern beschränkt sich deshalb meine Kommunikation mit Steffi auf das Allernötigste. Ich wache angespannt über meine Einfälle – aus Angst, sie könnte mir wertvolle Erzählungsinhalte stehlen und meine Eindrücke über Orte, Menschen und Situationen im Text als ihre eigenen ausgeben (was sie, nebenbei gesagt, von Anfang an tut). So sitzen wir betreten schweigend im Zug nach Innsbruck. (Stefanie Sargnagel, Aron Rosenfeld, 24.5.2018)