Wien – Was ist in der Oper wichtiger, Wort oder Ton? In der Streitfrage aus dem 18. Jahrhundert, die Richard Strauss in Capriccio, seinem späten "Konversationsstück für Musik", wieder aufgriff, kommt die Frage nach der Regie erst gar nicht auf. Doch die Inszenierung, die Marco Arturo Marelli 2008 für die Staatsoper schuf, ist eine der wenigen der letzten Jahre, in der sich traditionalistische Erwartungen mit einem Hauch von Dekonstruktion glücklich vereinigen ließen.

Unterton der Unruhe

Erst fünfzehnmal wurde das Stück in den letzten zehn Jahren gespielt – ein Außenseiterwerk, das mit seinen pausenlosen zweieinhalb Stunden eine gewisse Sperrigkeit und auch manchen dramaturgischen Leerlauf mit Tiefe, angesichts des Uraufführungsjahres 1942 frivoler Schönheit an der Kitschgrenze und bewusst gesetzter Banalität verbindet. Unter dem Dirigat von Michael Boder erscheint die Partitur aber alles andere als harmlos und träge.

Schon das kammermusikalische Vorspiel fließt glühend und mit einem leichten Unterton der Unruhe dahin, farbenreich wird jeder musikalischen Illustration des Komponisten nachgegangen – dort, wo ein Schrei vertont wird oder ironisch davon die Rede ist, das Orchester sei zu laut für die Sänger, darf man ruhig auch einmal aufschrecken.

Perfekte Basis für die Sänger

Boder bietet den Sängern eine perfekte Basis für ihr Tun: dem agilen Wolfgang Bankl als Theaterdirektor La Roche, der in Höchstform flüstert bis poltert, Angelika Kirchschlager als singender Schauspielerin Clairon, Markus Eiche als Grafen und einem höchst spielfreudigen Ensemble.

Das gilt besonders für die Kontrahenten Olivier und Flamand: Hier stehen der wendige Adrian Eröd als Dichter und der strahlende Michael Schade als Musiker für die Konkurrenz zwischen Sprache und Musik, zwischen der sich die Gräfin nicht entscheiden kann.

Rollendebütantin Anna Gabler wirkt in dieser Partie noch etwas gar vorsichtig – das kann sich jedoch bei der vielfach Wagner- und Strauss-erprobten Sängerin wohl noch ändern. (daen, 22.5.2018)