"Horrorvision" für ORF: Hochner-Preisträger warnt vor Budget statt GIS
Stefan Kappacher kritisiert FPÖ-"Drohkulissen" wie "Wagenburg-Mentalität" im ORF bei Fehlern – Van der Bellen gegen Budgetfinanzierung des ORF
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Wien – Armin Wolf hat 2006 in seiner Dankrede für den Robert-Hochner-Preis mit sechs Jahren ORF unter bürgerlicher Führung abgerechnet und so deren Ende eingeleitet. Stefan Kappacher (Ö1) dankte Dienstagabend für dieselbe Auszeichnung – bevor die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ ein neues ORF-Gesetz vorlegen, eine neue Führung bestimmen und neue Finanzierung – statt GIS-Gebühr ist Finanzierung aus dem Bundesbudget Thema.
Das ist für Kappacher eine "absolute Horrorvision für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk": "Bedarfszuweisungen der Politik, gekoppelt an Wohlverhalten von ORF-Journalisten".
Politiker würden "für das Geld sorgen", sagte der neue blaue Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats, wenn "ORF-Journalisten Akzeptanz in der Bevölkerung haben".
Um Akzeptanz wollen sie werben – aber jene der GIS-Gebühren, sagt Kappacher: "Wir ORF-Journalisten werden alles dazu tun, dass Österreich im Fall des Falles zur Schweiz wird." Dort stimmte eine große Mehrheit für die Beibe haltung von Rundfunkgebühren. Kappacher bei der Preisverleihung: "Wir sind dankbar dafür, im ORF unabhängigen Journalismus machen zu können, und wir werden weiter um diese Unabhängigkeit kämpfen."
Van der Bellen: Falsche Anreize
Bundespräsident Alexander Van der Bellen warnte in seiner Begrüßung zur Preisverleihung in der Hofburg vor Budgetfinanzierung des ORF statt der Rundfunkgebühren: "Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über das Budget setzt falsche Anreize", erklärte Van der Bellen.
Auch der Bundespräsient verwies auf die Volksabstimmung über Rundfunkgebühren ("Nobillag") in der Schweiz. Finanzierung über das Budget mache den ORF "verwundbar", warnte Van der Bellen. Eine Regierung könnte das verführen, journalistische Gegenleistungen zu verlangen – was der Rede- und Pressefreiheit widerspreche.
Van der Bellen würdigte den "Mut, Interventionen standzuhalten" in seiner Rede zur Preisverleihung an Kappacher und Ernst Sittinger von der "Kleinen Zeitung". Journalisten dürften nicht wehleidig sein. Allerdings sei es "Besorgnis erregend", aufgrund eines möglichen Fehlers pauschal ganzen Redaktionen "Lüge" und "Propaganda" zu unterstellen, sprach der Bundespräsident indirekt Attacken der FPÖ auf den ORF an.
"Wagenburg-Mentalität" bei Fehlern im ORF
Kappacher prangert in seiner Rede "Fouls und Nadelstiche" der FPÖ an, um den ORF zu desavouieren, und das Schweigen der ÖVP dazu. Auch das Zusammenspiel der FPÖ mit Krone und Co – "Journalismus ist gut, wenn er die eigenen Position bestärkt". Und er warnt, wenige Tage vor der Bestellung von Channel-Managern und Channel-Chefredakteuren für ORF 1 und 2 vor "Karrieristen, die mit dem neuen Wind in wichtige Positionen geweht werden könnten und dann 'liefern müssen‘."
Kappacher kritisiert ebenso "Wagenburg-Mentalität" bei Fehlern im ORF, von "manipulativem Schnitt" in Tirol Heute zulasten der FPÖ, über den "missglückten" Kulturmontag mit Kulturminister Gernot Blümel bis zu den Seitenblicken, die den Tiroler Blogger Markus Wilhelm "vorverurteilt" hätten.
Der Kurt-Vorhofer-Preis ging an Ernst Sittinger (Kleine Zeitung). Er warnte vor der "defor mierenden, korrumpierenden Kraft" ständiger Informationen über den Zugriff von Usern auf Artikel: "Stetig wächst die Versuchung, journalistische Standards umstandslos über Bord zu werfen." Sittiger: "Wir sind heute – bizarr genug – stolz auf das, was wir nicht verbreiten. Wir sollten diesen Stolz kultivieren." (Mehr aus Sittingers Rede finden Sie unter diesem Link) (fid, APA, 22.5.2018)
Rede von Stefan Kappacher im Wortlaut anlässlich der Verleihung des Robert-Hochner-Preises 2018 durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 22. Mai 2018
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