Ohne Reservierung läuft man Gefahr, im Shokudo Kuishimbo erst einmal im Weg zu stehen. Mit Reservierung eventuell auch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Warten lohnt sich, auch wenn es natürlich dauert, bis der konzentriert und doch zugewandt arbeitende Service all die Tiegel und Schüsselchen auch an den Tisch gebracht hat.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Es ist ja nicht so, dass man am Naschmarkt nicht hervorragend essen könnte. Für eine Touristenfalle erster Güte schoppen sich hier die Toprestaurants geradezu: die muslimischen Chinesen vom Yummy House etwa, die nordindische Noblesse von Familie Chandihok im Indian Pavilion, die Szechuan-Könner im No. 27 und, natürlich, das japanische Kuishimbo im Majolikahaus, weit oben bei der U-Bahn-Station Kettenbrückengasse. Wobei Letzteres, ein Lokal von der Größe eines besseren Wirtshaus-WCs, mit acht Hochstühlchen, gemeingefährlich engen Wandbords und einem SB-Bierkühlschrank, nominell nur als Imbiss gelten kann.

Die schiere Herrlichkeit des Angebots aber lässt seit 15 Jahren sämtliche auch weit luxuriösere japanische Restaurants hinter sich: Was die aus Kioto gebürtige Familie Numata in dem Minikobel von einer Küche an Delikatessen zu bereiten versteht, wie da aus Kürbis und Spinat, Algen und Tofu, Schwarzwurzeln, Sojabohnen und Melanzani Vorspeisen von beglückender Kraft und Leichtigkeit entstehen, wie Soba- und Udon-Nudeln in hinreißenden Suppentöpfen versenkt werden und in Sojakaramell glasierter Aal zur Perfektion gegrillt wird – das hat eine Klasse, die man auch in den Japanern von Düsseldorf, Paris oder New York nicht so ohne weiteres erwarten darf.

Minimalistisch ausgestattet

Es ist also kein Wunder, dass man hier regelmäßig mit den besten Köchen des Landes um einen Platz ansteht. Seit vergangener Woche hat man diese Möglichkeit nun ein zweites Mal. In der nahen Esterházygasse haben die Numatas das frühere Restaurant Finkh übernommen und zu einem Shokudo umgestaltet. So heißen familiär geführte Beisln in Japan, die für die Bewohner des Grätzels kochen und einen oft erstaunlich vielfältigen Querschnitt durch die Izakaya-Küche zu bieten haben. Die Numatas werden mangels Konkurrenz wohl eher für die Auskenner der ganzen Stadt wie auch des umgrenzenden Bundeslandes zu kochen haben, die Vielfalt kommt aber hin.

Es ist ein denkbar minimalistisch ausgestattetes Lokal geworden, mit lackiertem Betonboden, ausgesucht schmalen Tischen, niedrigen Plastikstühlen und Vintage-Hockern, rau verputzten Wänden und einer Schank aus Naturholz, die mit einer (noch verpackten) Winkekatze und einem Spielzeugflieger von Eva Air dekoriert ist. Klingt sehr spartanisch, ist es auch, wirkt dessen ungeachtet aber richtig einladend. Einen Abend lang versumpern will man hier dennoch nicht, das ist auch explizit im Sinne der Betreiber. Schließlich stehen sich ab dem frühen Abend zahlreiche potenzielle Kunden die Beine in den Bauch, in der Hoffnung auf einen Schemel.

Einmal alles, oder fast

Das Warten lohnt sich, auch wenn es natürlich dauert, bis der konzentriert und doch zugewandt arbeitende Service all die Tiegel und Schüsselchen, die man in ungezügelter Vorfreude geordert hat, auch an den Tisch gebracht hat – bei Vollauslastung noch dazu. Die Speisen kennt man zum größten Teil schon aus dem Stammhaus: Rauchig frischen Seetangsalat Mozuku mit Ponzu-Dressing und Ingwer darf man sich ebenso wenig entgehen lassen wie die vor Frische berstenden Okraschoten Okura mit Bonitoflocken – erst knackig, mit der Zeit auf attraktive Art schleimig.

Oder köstlich cremige, knusprige Teigbällchen Takoyaki mit braunem Reisessig, Kombu und Kazuyoshi – wunderbar. Oder Agedashi-Tofu, luftig gebacken, in Dashi-Brühe mit geriebenem Daikon, Ingwer und Jungzwiebeln, zergeht wie Butter auf der Zunge – nur halt viel besser. Das ist bloß ein winziger Ausschnitt der etliche Seiten umfassenden Karte, aus der man so reichlich bestellen sollte, bis man sicher ist, es wird zuviel. Ist es nicht. (Severin Corti, RONDO, 25.5.2018)

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