Seit Jahren protestieren Frauen unter dem Titel "Slut Walk" für ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, wie hier kürzlich in Jerusalem.

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Was ist die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen wert? Diese Frage kann ein Land mit dem Sexualstrafrecht zumindest auf symbolischer Ebene beantworten. Schweden hängt demnach die sexuelle Autonomie besonders hoch und verleiht damit dem weltweiten Problem der sexuellen Gewalt gegen Frauen Gewicht. Lösen wird es sich allein dadurch nicht, denn trotz der aktuellen #MeToo-Diskussionen wird sexuelle Gewalt oft kleingeredet.

Schweden will mit dem geplanten Gesetz sämtliche sexuellen Handlungen strafbar machen, die nicht im aktiven Einverständnis geschehen. "Konsensprinzip" nennen das Feministinnen oder, schlichter gesagt: einfach reden. Schwedens neues Sexualstrafrecht ist dem österreichischen übrigens gar nicht so unähnlich: Seit 2016 ist hierzulande der Tatbestand der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung auch dann erfüllt, wenn sich ein Opfer aus Angst nicht wehrt und keinerlei Reaktion zeigt, auch keine abwehrende.

Der Beweis für die schweren, wenn auch unsichtbaren Verletzungen ist jedoch nur schwer zu erbringen. Daran wird auch das neue Gesetz in Schweden nichts ändern können, auch die Beweislast liegt weiterhin bei der Klägerin oder dem Kläger.

Anzeige aus Spaß?

Ein Gesetz allein reicht außerdem nicht aus. Es braucht eine breite Debatte, eine, die aufseiten der Opfer steht und Frauen nicht unterstellt, künftig nach jedem verpatzten One-Night-Stand aus Jux und Tollerei zur Polizei zu rennen. Realität ist nämlich das Gegenteil. Laut Dunkelzifferzahlen aus Österreich werden nur 8,8 Prozent der Vergewaltigungen angezeigt. In Schweden führen 90 Prozent aller Anzeigen zu keiner Anklage. Sexuelle Gewalt bleibt also weitgehend ohne Folgen. Für die Täter.

Das liegt vor allem daran, dass das Anzeigen strafbarer Handlungen in einer derart intimen und noch immer schambesetzten Sphäre eine besonders große Hürde darstellt, und die Scham liegt noch immer aufseiten der Opfer – daran kann nur eine offener Diskurs über sexuelle Autonomie etwas ändern, an dem ein Sexualstrafrecht durchaus einen wichtigen Anteil hat.

Folgenlos für die Täter

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Täter und Opfer meist kennen, dass es oft sogar der eigene Partner ist. Wort steht gegen Wort. Prozessbegleiterinnen (in Österreich können sich Gewaltopfer beim Gang vor Gericht von Gewaltschutzexpertinnen unterstützen lassen) wissen, wie sehr Charaktereigenschaften oder die Vergangenheit von Klägerinnen bei Gewaltdelikten noch immer im Fokus stehen – selbst vor Gericht, selbst im Jahr 2018. Es ist also ein sehr schwieriger Weg, den Gewaltopfer vor Gericht gehen müssen. Diesen Weg werden sie auch mit dem neuen Sexualstrafrecht in Schweden künftig nicht leichtfertig einschlagen. (Beate Hausbichler, 23.5.2018)