Der Boylesque-Performer Jacques Patriaque wohnt in einer Altbauwohnung in Wien-Neubau. Hier schaut er seinem urbanen Dschungel beim Wachsen zu und träumt von seinem eigenen Kino unter Sternen.

"Mein Partner und ich wohnen seit acht Jahren in dieser Wohnung inmitten des siebten Bezirks. Wir haben sie durch meine Burlesque-Mama gefunden, die hier vorher gewohnt hat. Wir haben uns sofort in die Wohnung verliebt, weil Größe und Lage ideal waren. Wir wohnen hier mit unseren Katern Erik und Helmut, die ausgesetzt wurden. Sie verstehen sich mal besser, mal weniger gut. Das ist tagesabhängig.

Der Künstler Jacques Patriaque in seinem Wohnzimmer in Wien-Neubau.
DER STANDARD

Wir versuchen, unsere Wohnung alle paar Jahre ein bisschen neu zu gestalten. Vor kurzem haben wir die Wand im Wohnzimmer grün gestrichen, außerdem hängt jetzt ein String-Regal. Ich würde unseren Stil als Shabby Chic bezeichnen. Ich mag den Mix aus Alt und Neu mit skandinavischen Designelementen und könnte mir nie vorstellen, im Neubau zu wohnen, mit Lacktisch von Ikea. Bei mir muss alles Ecken und Kanten haben, so wie das Leben.

Von manchen Möbelstücken trennen wir uns wieder, andere begleiten uns. Unsere Kommode hat zwei Euro gekostet. Wir haben sie auf einer Plattform entdeckt und vom Semmering abgeholt.

Jacques Patriaque: "Bei mir muss alles Ecken und Kanten haben, so wie das Leben."
Foto: Lisi Specht

Die Eigentümer waren ein Hippiepärchen. Es war ein heißer Sommertag – und der Besitzer hat uns splitterfasernackt die Tür aufgemacht und gefragt, ob wir denn nicht zu ihm und seiner Frau in den Pool kommen wollen, um uns abzukühlen.

Den alten Fernseher, den wir als Beistelltisch nutzen, habe ich auf einem Pfarrflohmarkt um zehn Euro gekauft. Mein Projekt wäre, daraus ein Aquarium zu bauen. An den Wänden hängen hauptsächlich Bilder von Menschen, die ich nicht kenne. Die meisten sind von Altwarenhändlern und Flohmärkten. Mich sprechen Fotos von Menschen mit interessanter Mimik an. Wo man sich fragt: Was wird sich die Person gerade gedacht haben?

Seit einiger Zeit habe ich in der Wohnung einen kleinen Urban Jungle. Ich liebe Instagram und verbringe die Hälfte des Tages damit, es zu durchforsten. So bin ich auf diesen Trend gestoßen. Ich habe keinen grünen Daumen, aber mein Partner tobt sich jetzt mit all den Pflanzen aus. Währenddessen bin ich viel in der Küche, weil ich gelernter Koch bin und gern koche. In den 1990er-Jahren habe ich sogar einige Wettbewerbe gewonnen. Irgendwo im Regal müsste noch eine Trophäe stehen.

Fotos: Lisi Specht

Demnächst müssen wir wohl unser Bad renovieren. Weil wir noch einige Zeit hier wohnen werden, werden wir uns das leisten. Ich verbringe sehr viel Zeit im Bad und will mich dort wohlfühlen.

Generell bin ich ein ordentlicher Mensch, mein Partner ist kreativ unordentlich. Aber ich finde das gut, weil man sich so gegenseitig wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Erst vor kurzem haben wir uns von vielen Dingen getrennt. Mein Partner hat schon Platten gesammelt, Wolle, Lilienporzellan und Geschirr aus der französischen Zwischenkriegszeit. Aber der Platz in unserer Wohnung ist begrenzt. Glücklicherweise haben wir im Haus eine Ecke, in die Dinge gegeben werden, die man nicht mehr braucht. Unsere Sachen sind immer sofort weg. Wir haben sogar schon Dankeszettel dort gefunden.

Ich hatte in dieser Wohnung gemeinsam mit Conchita Wurst – unsere beiden Kunstfiguren waren miteinander verheiratet – schon einige Homestorys. Wirklich privat ist die Wohnung daher vielleicht nicht mehr. Aber es weiß ja deswegen nicht jeder, wo ich wohne. Die Wohnung ist für mich immer noch ein Rückzugsort.

Fotos: Lisi Specht

Ich würde gerne auch in Zukunft im siebten Bezirk bleiben – so wie fast jeder, der hier wohnt. Irgendwann hätte ich gerne eine größere Wohnung mit Terrasse, die Platz für ein paar Möbel bietet, und eine Wand, auf die man im Sommer etwas projizieren kann – ein Kino unter Sternen mit Freunden. Wer will das nicht? Aber ich arbeite hart daran und ziehe sehr viele Kleidungsstücke aus, um das zu erreichen." (28.5.2018)