SPÖ-Chef Christian Kern (hier am 1. Mai auf dem Rathausplatz) rückt die SPÖ mit einem neuen Programm ein Stück weiter nach links.

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Die SPÖ verpasst sich nach zwanzig Jahren ein neues Parteiprogramm, an dem die vergangenen Jahre intensiv gefeilt wurde. Am Freitag passierte dieses Parteipräsidium und Vorstand, im Juni wird es noch einer Mitarbeiterbefragung unterzogen, im Oktober soll es bei einem Parteitag beschlossen werden. SPÖ-Chef Christian Kern widerspricht nicht, wenn man dem neuen Programm eine deutliche Ausrichtung nach links attestiert. "Viele in der SPÖ haben ein heißes Herz", sagt Kern, "aber wir müssen schon auch aufpassen, dass wir nicht den Anschluss an die Mitte verlieren." Eine Diskussion über das kapitalistische System soll mit dem neuen Programm aber durchaus angestoßen werden.

Der Plan A sei immer noch aktuell, aber mehr auf die Tagespolitik bezogen, das Parteiprogramm hingegen sei auf die nächsten zwanzig Jahre ausgerichtet, daher auch wenig aktuell.

Sozialstaat umbauen

Mit dem Programm wolle man Antworten geben auf die Veränderungen, die sich durch die "Automatisierung, Robotisierung und Digitalisierung" der Arbeitswelt ergeben. Der Sozialstaat müsse umgebaut werden, der Wohlfahrtsstaat müsse aber finanzierbar bleiben. Arbeit müsse steuerlich entlastet werden, dafür müssten Kapitalerträge einer deutlich höheren Besteuerung unterzogen werden. Es geht im Programm um den Klimawandel und den Freihandel, überraschend deutlich ist auch ein Bekenntnis zur Europäischen Union verankert.

Die Zib 1 über das neue Programm.
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Die SPÖ bekennt sich zum Grundsatz Integration vor Zuwanderung und spricht sich für den Schutz der EU-Außengrenzen aus. Die Migrationsfrage sei ein Feld der Rechten, dürfe dieser aber nicht überlassen werden. "Hier muss auch die SPÖ klare Antworten gaben", sagt Kern. Selbstverständlich sei das Bekenntnis zu den Menschenrechten, hier gehe es um die Seele der Partei. Mit diesem Bekenntnis dürfe aber keine falsch verstandenen Toleranz einhergehen, auch bei extremistischen oder islamistischen Strömungen dürfe man nicht wegschauen.

Kein Grundeinkommen

Über das arbeitslose Grundeinkommen habe es im Vorfeld die heftigsten Diskussionen gegeben, erzählt Kern, letztlich habe man sich aber dafür entschieden, es nicht ins Programm zu schreiben. Stattdessen findet sich darin die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung.

Parallel zum Parteiprogramm wird es auch eine Reform der Parteistrukturen geben. Die SPÖ wolle so ihre Glaubwürdigkeit zurückerkämpfen, sagt Kern, er wolle für "positive Irritation" sorgen. Die SPÖ dürfe nicht nur sich selbst genügen. Auffälligste Änderung ist eine zeitliche Beschränkung des politischen Mandats. Wer zehn Jahre auf einer politischen Ebene ein Mandat ausgeübt hat, soll sich danach einer anderen Aufgabe widmen. Nur wer ausdrücklich mit einer Zweidrittelmehrheit bestätigt wird, kann auch nach zehn Jahren in eine weitere Funktionsperiode gehen. Kern: "Politik soll nicht als Lebensaufgabe verstanden werden, da entsteht das Risiko der Saturiertheit."

Schonfrist für Schieder

Mit der Regeländerung soll eine laufende personelle Erneuerung und Auffrischung der Partei sichergestellt werden. Kern erwartet sich davon eine "Dynamisierung" der Partei. Davon wäre etwa Klubobmann Andreas Schieder betroffen, der bereits seit zwölf Jahren Abgeordneter zum Nationalrat ist und die Zehn-Jahres-Frist damit überschritten hat. Er brauchte für eine Funktionsverlängerung nun eine Zweidrittelmehrheit der Funktionäre.

Vorbild Grüne

Was die interne Mitbestimmung betrifft, gehen die Sozialdemokraten Richtung Grüne und führen eine Art Basisdemokratie ein, auch wenn Kern das so nicht bezeichnet wissen will. Bei der Listengestaltung soll es ein Vorwahlsystem mit anonymer Abstimmung geben. Prinzipiell sollen die Parteimitglieder mehr Mitspracherecht erhalten: Finden sich mehr als zehn Prozent der Mitglieder, können sie eine Abstimmung über politische Positionen verlangen. Diese soll dann bindend sein. Kern geht davon aus, dass künftig über diesen Weg auch über den jeweiligen Parteivorsitzenden abgestimmt wird. Dass etwa auch über einen EU-Austritt abgestimmt werden könnte, glaubt Kern nicht. "Da hätte es die Partei längst zerrissen."

Außerdem will sich die SPÖ Richtung Zivilgesellschaft öffnen. Die bisherige Organisationsstruktur über Ortsgruppen wird durch Themensektionen ergänzt, die statutarisch abgesichert werden sollen. Dabei könnten auch Nichtparteimitglieder Stimmrechte bei einem Parteitag erhalten. (Michael Völker, 25.5.2018)