Bild nicht mehr verfügbar.

Protest antiamerikanischer Südkoreaner gegen US-Präsident Donald Trump. Jene, die schon bisher dafür plädierten, sich von den USA zu emanzipieren, wittern nun Morgenluft.

Foto: AP / Ahn Young-joon

Mit dem Friedensnobelpreis wird es jetzt wohl nichts – aber immerhin: Der starke Mann im Weißen Haus hat wieder einmal auf den Tisch gehaut. Und Donald Trump ist sicherlich mit sich selbst zufrieden. Aus seiner Sicht hat er mit der Absage des Nordkorea-Gipfels gezeigt, dass die USA noch immer Herr im Haus der internationalen Beziehungen sind. Er hat bewiesen, dass sich Washington unter seiner Führung nicht über den Tisch ziehen lässt – weder von Nordkorea mit seinen Atombombendrohungen noch von China, Russland, Südkorea und den Europäern, die einen Gipfel des US-Präsidenten mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un allesamt vehement unterstützen.

Allein: Trump erkennt nicht, dass er schon längst über den Tisch gezogen wurde. Kim Jong-un hatte den US-Präsidenten in jenem Moment am Haken, als Trump spontan seine Teilnahme an dem Gipfel zusagte, ohne zuvor Rat von seinen Beratern zu holen. Pjöngjang hatte ein großes Ziel: international als ernstzunehmender Partner anerkannt zu werden. Nun kann Kim, den Trump noch vor Monaten als "litte rocket man" verunglimpfte, auf einen Brief aus dem Weißen Haus verweisen.

Dieser enthält zwar eine Absage, aber er beginnt mit allerhand netten Worten. "Seine Exzellenz Kim Jong-un" darf sich von Trump etwa bescheiden lassen, mit der Freilassung von Geiseln für "einen schönen Moment" verantwortlich gewesen zu sein und insgesamt "einen wunderbaren Dialog" mit den USA geführt zu haben. Dafür musste er wenig tun, außer Gesprächsbereitschaft zu bezeugen und ein – vermutlich nicht mehr funktionsfähiges – Atomtestgelände zu sprengen. Daran konnten auch die zahlreichen Hardliner in der US-Regierung nichts ändern, die in den vergangenen Wochen kaum eine Provokation unterlassen haben, um die Gipfelpläne ihres Chefs zu sabotieren.

Der verlässliche Diktator

Vor diesem Hintergrund gewinnt Kim wohl auch wirtschaftlich: Vor dem Hintergrund wird es für die USA denkbar schwierig, die "Politik des maximalen Drucks", die Trump für Nordkoreas Gesprächsbereitschaft verantwortlich macht, aufrechtzuerhalten. Längst umgeht China etwa wieder die strengen Handelssanktionen gegen den Nachbarn, und auch Russland schließt sich an. Beide sind insgeheim nicht traurig, wenn es mit dem Gipfel zwischen Kim und Trump etwas langsamer geht. Denn so behalten sie, was ihnen geopolitisch am wichtigsten ist: einen verlässlich US-feindlichen Pufferstaat zwischen der eigenen Grenze und dem US-Verbündeten Südkorea.

Wobei: Die Allianz zwischen Südkorea und den USA war schon lange nicht mehr so schwach wie heute. Zwar führen beide noch immer gemeinsame Militärmanöver durch und verständigen sich auf eine Sicherheitszusammenarbeit. Aber das Band mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in hat Trump spätestens am Donnerstag mit seiner hastigen Absage des Gipfels zerschnitten. Noch am Mittwoch war Moon zu Gesprächen in Washington – und nicht 24 Stunden später befand es Trump nicht der Mühe wert, den wichtigsten Verbündeten (und potenziell von einem Krieg Hauptbetroffenen) über die Absage des Gipfels vorab zu informieren. Südkorea hat schon angekündigt, jetzt trotzdem an der Entspannungspolitik festhalten zu wollen. Und in Moons Umfeld bekommen jene Aufwind, die sich schon bisher öffentlich dafür eingesetzt hatten, sich von den USA auch militärisch zu emanzipieren.

Schlittenfahren mit Donald

All das kommt nicht völlig überraschend: Fast alle namhaften Nordkoreaexperten hatten zuletzt davor gewarnt, die USA müssten auch auf ein Scheitern des Gipfels vorbereitet sein, weil die inhaltlichen Differenzen zwischen Pjöngjang und Washington noch immer massiv seien. Ob Trump sie wenigsten bewusst ignoriert hat oder von ihren Warnungen gar nichts mitbekam, weiß man nicht: Laut Medienberichten lehnte der US-Präsident bis zuletzt im Vertrauen auf den eigenen Instinkt Briefings seiner Mitarbeiter bezüglich Nordkorea ab. Aus Sicht der US-Interessen ist das schlicht inkompetent. Und für jene, denen die Vermeidung eines Atomkriegs am Herzen liegt, sollte es alarmierend sein, wenn der Diktator Nordkoreas gemeinsam mit US-Hardlinern mit dem mächtigsten Mann der Welt Schlitten fahren geht. (Manuel Escher, 25.5.2018)