Wien/Mauerbach – Die Regierung beschließt bei ihrer heute startenden Klausur in Mauerbach eine neue Klimastrategie. Gegenüber dem Anfang April präsentierten Entwurf gibt es einige Adaptionen, etwa, dass man das Thema auch in den Lehrplan der Volksschulen integrieren will. Auch wird das jüngst vorgestellte Projekt eines höheren Tempolimits für E-Mobile in Tempo-100-Zonen angeführt.

Teurer Klimawandel

Formal beschlossen wird das Papier am Montag im Ministerrat, etliche darin enthaltene Maßnahmen sind freilich reine Zielvorgaben oder haben noch später mit Gesetzesbeschlüssen zu Leben erweckt zu werden. Auf die Fahnen heftet man sich in der Regierung, dass man einen breiten Dialog gesucht hat. Mehr als 500 Bürger hätten sich über eine eigens aufgebaute Internet-Präsenz an der Debatte beteiligt. Zudem hätten mehr als 120 Experten, auch aus NGOs ihren Beitrag geleistet.

Die Dringlichkeit, in diesem Themenfeld entschlossen anzutreten, wird von Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) betont. Der Klimawandel sei nichts Abstraktes, er schlage sich schon jetzt in der Landwirtschaft spürbar nieder: "Extreme Unwetterereignisse nehmen zu, Dürreperioden, warme Winter und Hitzewellen setzen uns allen zu und richten Schäden an." Auch teurer wird der Klimawandel, kann er nicht gestoppt werden. Österreichs Volkswirtschaft würde bis 2050 Schäden in der Höhe von bis zu 8,8 Milliarden Euro jährlich zu verkraften haben, heißt es in der Strategie.

Zwei neue "Leuchttürme"

Neben bekannten Vorhaben wie dem schrittweisen Ausstieg aus den Ölheizungen (bei Neubauten ab 2020) oder dem kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien (bis 2030) finden sich nun im endredigierten Papier auch zwei neue "Leuchtturm-Projekte". Der eine betrifft den Bildungsbereich und setzt bei Bewusstseinsbildung an. Dafür soll der Klimaschutz schon möglichst früh in den Schulen im Lehrplan verankert werden, nicht als eigenes Fach sondern etwa in Volksschulen im Rahmen des Sachkundeunterrichts. Der zweite neue "Leuchtturm" soll einer Forcierung der "Bio-Ökonomie" dienen, also dem Umstieg einer auf fossilen Stoffen beruhenden Wirtschaft auf eine, die nachhaltige Energie nutzt. Dazu soll ein eigener Aktionsplan erstellt werden.

Ohnehin gilt als eine der Leitlinien der Strategie, dass Klimaschutz und wirtschaftliches Wachstum kein Widerspruch sein müssten, wie Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) betont. Er selbst setzt in der Strategie vor allem auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und weitere Anstrengungen, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Ausnahmen für E-Autos

In Diskussion ist ferner, dass der Bund es den Ländern gesetzlich ermöglicht, in den Tempo-100-Zonen oder bei Fahrverboten Ausnahmen für E-Autos zu etablieren. Für E-Ladestationen soll es keine anlagenrechtlichen Genehmigungen mehr geben. Gleiches soll übrigens auch für Photovoltaikanlagen auf Gewerbeflächen gelten.

Neu in die Strategie geschafft hat es noch, dass das Best(statt des Billig-)bieter-Prinzip nun auch bei klima- und energierelevanten Beschaffungen verankert werden soll. Der in Ausarbeitung befindliche Sanierungsscheck soll nicht nur für thermische Sanierung sondern auch für den Umstieg des Heizsystems auf erneuerbare Energieträger gelten. Schließlich ist noch eine "Energiewende-Anleihe" für Erneuerbare und Effizienz-Projekte in Planung.

Kritik von NGOs

Die Klimastrategie verkomme "zur völligen Farce", meinte die Umweltschutzorganisation Greenpeace am Sonntag. Das Papier werde nur wenige Tage nach der Anhörung von Experten beschlossen, ohne die von diesen vorgebrachten Vorschläge zu evaluieren und einzuarbeiten. "Das Beteiligungsverfahren war eine reine Alibi-Aktion. In Wahrheit hängt die Bundesregierung am Gängelband der Konzernlobbyisten von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer.

"Die bereits bekannt gewordenen Veränderungen lassen die wesentlichen Fragen außen vor. Die Ambition ist nicht kompatibel mit den Klimazielen von Paris, es fehlen ausreichende Budgets für die Umsetzung und konkrete Maßnahmen, wie eine ökologische Steuerreform, damit die Ziele auch erreicht werden können. Mit einer mutlosen Klimastrategie werden wir die globale Klimakrise nicht verhindern können. Wir appellieren daher eindringlich an die Minister Elisabeth Köstinger, Norbert Hofer und Hartwig Löger, die Regierungsklausur jetzt noch zu nutzen, um Verbesserungen in wesentlichen Fragen zu erzielen", sieht GLOBAL 2000-Klima- und Energiesprecher Johannes Wahlmüller noch deutlichen Handlungsbedarf.

Vertreter des WWF Österreich warnen hingegen vor einem "Papiertiger-Schicksal" der Klimastrategie. "Die Bundesregierung muss deutlich mutiger und weitsichtiger vorgehen. Ansonsten wird Österreich die Pariser Klimaschutzziele nicht erfüllen können", sagt Hanna Simons, die Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung des WWF Österreich, mit Blick auf die bisher bekannten Pläne. "Daher muss die Regierungsklausur noch für konkrete Verbesserungen genutzt werden. Denn ohne eine große öko-soziale Steuerreform und das Streichen umweltschädlicher Subventionen wird die Abhängigkeit von fossilen Energien unnötig verlängert", betont Simons.

"Negativbeispiel für Intransparenz"

Beide Organisationen erneuerten ihre Kritik am in ihren Augen intransparenten Konsultationsprozess. "Es sollte heutzutage eigentlich selbstverständlich sein, Mindestanforderungen an die Transparenz einer Öffentlichkeitsbeteiligung zu erfüllen", meinte Wahlmüller. Mit dem heutigen Beschluss der Klimastrategie werde dieses Kapitel aber abgeschlossen und "ein Negativbeispiel für Intransparenz" abgegeben: "Einflussreichen Wirtschaftslobbys, die hinter den Kulissen die Strippen ziehen, macht man es mit so einem Vorgehen einfacher, ihre Interessen zu verbergen und Einfluss auf einen Prozess zu nehmen, der für unser aller Zukunft entscheidende Bedeutung hat." Ins selbe Horn stieß Simons: "Die Bundesregierung hat wichtige Standards der Öffentlichkeitsbeteiligung ignoriert."(APA, red, 27.5.2018)