Der entscheidende Brückenschlag zur oder zum anderen beruht zusammengefasst auf zwei Pfeilern: dem Verzicht auf Überlegenheitsattitüden und der Bereitschaft zuzuhören.

Foto: istock

Ziel eines Gesprächs ist es gemeinhin, sich über irgendetwas zu verständigen, zu einigen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Weniger, sich wechselseitig gegeneinander aufzubringen und zu frustrieren. Doch genau das geschieht in schöner Regelmäßigkeit, wie der Alltag zeigt. Egal ob im Privaten oder im Beruf. Grund dafür können etwa Dissonanzen in der Sache sein, unvereinbare Zielvorstellungen, überzogene Zumutungen. Oder jemand ist einfach nur mit dem falschen Bein aufgestanden.

Aber es gibt noch ganz andere Auslöser dafür, dass sich die Haare sträuben, Adrenalin ausgeschüttet und die Faust in der Tasche geballt wird. Und einen hinterher die Frage beschäftigt: "Was ist hier abgelaufen?"

Weitaus öfter eskaliert der Wortwechsel nämlich durch Verhaltensnuancen. Die Art, sich zu geben oder gar aufzuspielen, kann beachtlichen zwischenmenschlichen Schaden anrichten. Wer die destruktive Macht der Verhaltensweisen im Gespräch nicht einzuschätzen weiß und sie folglich auch nicht beachtet, stellt sich selbst ein Bein. Sie können im Handumdrehen tiefste Betroffenheit bis hin zu massivstem Ärger auslösen.

Denn für diese Verhaltensweisen haben Menschen ein hochempfindliches Alarmsystem. Sie spüren, wenn in der Gesprächsbalance irgendetwas nicht stimmt. Weil sie mit vier Ohren registrieren, was und wie kommuniziert wird, wie Friedemann Schulz von Thun sagt. Kommunikation, so Hamburger Psychologieprofessor, ist von ihrem Aussagewert her stets quadratisch.

Nicht immer sachlich

Direkt oder indirekt vermittelt die oder der Sprechende den Angesprochenen gleichzeitig vier Botschaften: die Sach-, die Beziehungs-, die Appell- und die Selbstoffenbarungsbotschaft. Diese Botschaften "hört" die andere Seite und bewertet sie. Das Sachohr vernimmt und bewertet, worum es geht, das Beziehungsohr, was die andere Seite von mir hält und wie wir zueinander stehen. Das Appellohr versucht zu verstehen, wozu sie mich veranlassen möchten, das Selbstoffenbarungsohr, was die oder der andere von sich selbst kundgibt.

Der Irrtum, der Gesprächsführende missmutig auseinandergehen lässt, ist die Annahme, dass sich das Gespräch stets auf der Sachebene abspiele. Genau diese entscheidet nicht im Gespräch. Missfallen nämlich die parallel zur Sache kommunizierten anderen Botschaften den anderen drei Ohren, schlagen sie Alarm.

Ausschlaggebend dafür, wie ein Gespräch verläuft, sind Emotionen. Wer wo und wie auch immer Gespräche führt, tut also gut daran, sie nicht zu unterschätzen. Sie, die Gefühle, sind einerseits sozialer Kitt, der Gesprächsführende zueinanderführen und sie im Wollen und Wirken auf einen Nenner bringen kann – andererseits aber auch sozialer Sprengstoff, der ein Einvernehmen unmöglich machen kann.

Seiner Gefühle bewusst

Der gute Rat: sich der eigenen Gefühle bewusster zu werden, um sie nicht unbewusst im Gespräch durchschlagen zu lassen. Gute Gespräche zu führen beginnt auch damit, zu lernen, die – heikle – emotionale Dynamik eines Gesprächs zu verstehen und mit ihr umzugehen. So lassen sich Crashs merklich verringern.

Für die emotionale Gesprächsdynamik sind zwei Faktoren besonders von Bedeutung: Die Grundhaltung, mit der jemand in ein Gespräch hineingeht, und die Bereitschaft zuzuhören. Das eine wie das andere lässt sich auf die Frage zuspitzen: Lasse ich den anderen auch gelten oder nur mich? Diesbezüglich sind Beziehung- wie Selbstoffenbarungsohr und auch das Appellohr stets hellwach und immer bereit, auf Alarm zu schalten: Werde ich geachtet und respektiert oder von oben herab behandelt? Soll ich manipuliert werden?

Was diese Ohren "hören", bestimmt die emotionale Gesprächsdynamik und baut die Kontaktbrücke zu der oder dem anderen auf – oder den Graben.

Im Gespräch nur sich selber zu sehen und gelten zu lassen und auch diesen Eindruck zu machen, ist ein viel genutztes Mittel, um beim anderen ein Gefühl der Unterlegenheit auszulösen.

Natürlich spielen Wissen, Können, Erfahrung und Status immer eine Rolle im Gespräch. Und ebenso natürlich ist der Versuch, auf dieser Schiene eine Art Gefügigkeit zu erzielen, durchaus auch von – allerdings nur momentanem – Erfolg gekrönt.

Die Unart, nicht zuzuhören

Ein Beispiel für Weitsicht allerdings ist diese Art der Gesprächsführung nicht. Sie führt nicht zueinander hin, sondern voneinander weg. Zudem deprimiert sie, verletzt und löst Wut aus. Und sie lässt beim anderen den Gedanken entstehen, miteinander noch eine Rechnung offen zu haben. Genau in diesem Gedanken wiederum sehen Kommunikationspsychologen einen maßgeblichen Auslöser für alle nur denkbaren Querschüsse und Intrigen.

Ebenso kurzsichtig ist die Unart, nicht zuzuhören. Sich zurückzunehmen, den Drang zu beherrschen, der anderen Seite permanent ins Wort zu fallen, das scheint vielen sehr schwer zu fallen. Dabei wird außer Acht gelassen, dass Zuhören nicht nur signalisiert: "Ich bringe dir Achtung entgegen und bin interessiert, an dem, was du zu sagen hast", sondern auch: "Ich möchte dich verstehen und zeige die Bereitschaft dazu." Denn ohne die An- und Absichten, die Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche der anderen Seite zu kennen, lässt sich kein Kompromiss erzielen. Zuzuhören ermöglicht, den Zugang zum anderen zu finden. Das ist die Voraussetzung, um zu erfassen, was gewollt beziehungsweise nicht gewollt wird.

Der entscheidende Brückenschlag zur oder zum anderen beruht zusammengefasst auf zwei Pfeilern: dem Verzicht auf Überlegenheitsattitüden und der Bereitschaft zuzuhören. (Hartmut Volk, 6.6.2018)