Wien/Genf – Zwar verzeichnen einige Staaten entlang der Balkanroute wieder steigende Asylzahlen und die Bundesregierung sorgt sich wegen einer möglichen neuen Flüchtlingsroute – für das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) ist die derzeitige Situation jedoch "nicht außergewöhnlich". Die Zahlen seien noch auf "sehr, sehr moderatem Niveau", so Christoph Pinter, Leiter des Österreich-Büros am Montag.

In Griechenland sorgt die Zahl der Flüchtlinge für Beunruhigung. Im April sind dort zum ersten Mal mehr Menschen über den Land- als über den Meerweg angekommen. Die Überfahrt über den Grenzfluss Evros ist gefährlich.
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Es gebe momentan "überhaupt keinen Grund, besonders alarmiert zu sein", sagte Pinter im Ö1-"Journal um acht". Es sei aber natürlich immer gut, sich die Zahlen konkret anzusehen und gut vorbereitet zu sein, falls sich etwas ändern sollte. "Aber derzeit sehen wir die Änderungen nicht", betonte er.

Angesprochen auf die steigenden Ankunftszahlen von Migranten, vor allem in Griechenland und Bosnien, meinte Pinter, dass diese auf ähnlichem Niveau wie vor der "Flüchtlingskrise" 2015/2016 liegen. Damals sei das Thema allerdings "nicht so prägnant" gewesen wie heute. Vor allem in Griechenland beobachte das UNHCR immer wieder Schwankungen.

Bosnien-Herzegowina hingegen sei zum ersten Mal mit einer relativ hohen Zahl von Asylsuchenden konfrontiert. Weil es in dem Balkanland noch an entsprechender Infrastruktur fehle, sich "mit der neuen Situation zurechtzufinden", sei hier die EU gefordert zu helfen, erklärte der UNHCR-Österreich-Chef.

Abschottung weder möglich noch sinnvoll

Zur Ankündigung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die Grenzen im "Falle des Falles" dichtzumachen, sagte Pinter: "Dort, wo Grenzen zugehen, werden andere Grenzen, andere Wege beschritten." Eine Abschottung Europas sei weder möglich noch sinnvoll, weil Europa eine Mitverantwortung am globalen Flüchtlingsthema habe. Aus Sicht des UNHCR müssten die Staaten vielmehr solidarisch handeln und das Thema gemeinsam angehen, "anstatt sich abzuschotten", erklärte Ruth Schöffl vom UNHCR. Dazu gehöre auch, Hilfe in den Herkunftsregionen zu verstärken, die nach wie vor weit über 80 Prozent der Flüchtlinge aufnehmen, sowie mehr Engagement beim Resettlement (Umsiedelung), um "Flüchtlingen einen sicheren Zugang zu ermöglichen".

Der Leiter des UNHCR Österreich Christoph Pinter – im Bild mit Flüchtlingen im Sammelzentrum an der Slowenisch-Österreichischen Grenze im Gebiet von Spielfeld, aufgenommen am Freitag, 23. Oktober 2015.
Foto: APA/Erwin Scheriau

In Richtung Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" vorgeschlagen hatte, dass die EU-Grenzschutzagentur Frontex Migranten bereits an der Überfahrt über das Mittelmeer hindern sollte, erklärte Pinter: "Leute in Libyen festzuhalten oder dorthin zurückzubringen ist sicher keine Option." Menschenrechtsorganisationen hatten wiederholt auf die katastrophalen Zustände in dem Land, in dem Flüchtende oft misshandelt oder sklavenähnlich gehalten werden, aufmerksam gemacht. Erst am Wochenende hatte Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass Menschenhändler 15 Migranten erschossen hätten, die aus ihrer Gefangenschaft in Libyen fliehen wollten. (APA, 28.5.2018)