In Italien herrscht wieder Chaos. Doch dieser Tage kann man nicht mehr von jenem fast schon zur Gewohnheit gewordenen Durcheinander reden, das beim südlichen Nachbarn seit Jahrzehnten herrscht. Die jüngsten Vorgänge bedeuten vielmehr eine Zerreißprobe für die Demokratie. Eine Zerreißprobe, die europaweit symptomatisch für den hilflosen Umgang des Establishments mit extremen und populistischen Parteien ist.

Staatspräsident Sergio Mattarella hat mit seiner Ablehnung des von der Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung nominierten Wirtschafts- und Finanzministers deutlich gemacht, wo die roten Linien verlaufen. Für den bisher farblosen Schiedsrichter Italiens, wie sich Mattarella selbst bezeichnet, hat der abgeblitzte Kandidat Paolo Savona mit seiner Kritik an der Eurozone und der deutschen Politik die Grenzen überschritten. Doch für die Eurozone und die EU insgesamt könnte der in Rom errichtete Verteidigungswall eine massive Schwächung bedeuten.

Auf den ersten Blick erscheint Mattarellas Entscheidung vernünftig: Das nun vereitelte Regierungsprogramm enthielt mehrere Elemente, die das Zeug haben, Italiens missliche Lage weiter zu verschlechtern. Vor allem die Rücknahme der Reformen des im internationalen Vergleich üppigen Pensionssystems ist angesichts der hohen Verschuldung ein Angriff auf die Staatsfinanzen. Wenn dann Savona auch noch offen mit dem Euroaustritt liebäugelt, läuten in Brüssel, Frankfurt, Berlin und eben auch im römischen Quirinalspalast die Alarmglocken. Erstaunlich schnell und kompromisslos rückte die Feuerwehr aus.

Man mag die Politik von Lega und Cinque Stelle für destablisierend und Savona für eine Gefahr halten; doch all das kann die Missachtung des Wählervotums nicht rechtfertigen. Im Gegenteil: Mattarellas Aktion wird als Unterwerfungsgeste gegenüber den besorgten Kapitalmärkten und wichtigen politischen Playern der Eurozone gewertet.

Populistische Gruppierungen quer durch Europa können die vermeintliche Niederlage nun genüsslich ausschlachten: "Seht her: Wenn es gilt, EU-kritische Bewegungen von der Macht fernzuhalten, können die Schaltzentralen in Europa sogar die Demokratie aushebeln." Mattarellas Entscheidung für den Schutz der Ersparnisse wird zu einem verheerenden Signal, das die Populisten nur stärkt. Was muss eigentlich nach dem Brexit noch geschehen, damit in Europa die Sorgen der Bürger verstanden werden? (Andreas Schnauder, 28.5.2018)