Herbert J. Pichler als Mondlande-Kommentator für den ORF und in späten Jahren.

Foto: ORF/privat

Wien – Der Mediziner, Pharmaunternehmer und Weltraumkommentator – und wohl kreativste Bewerber um die Führung des ORF – Herbert Pichler starb am vorigen Sonntag mit 96 Jahren in Wien. Pichler kommentierte 1969 im ORF-Fernsehen 28 Stunden lang live die erste Mondlandung. Für alle, die damals gebannt vor den TV-Geräten saßen, ist das Ereignis untrennbar mit Namen und Gesicht Pichlers verbunden.

ORF-Pläne

Bis in die 1990er Jahre bewarb sich Pichler, schon damals im Pensionsalter mehrfach um die Führung des ORF. Obwohl er die mit Abstand höchstfliegenden Pläne für seine ORF-Generalintendanz hatte, unterlag er im ORF-Ausichtsrat stets anderen Bewerbern. 1994 etwa bewarb sich Pichler mit der (tatsächlich schon absehbaren) "Verschmelzung der Medienbranche mit der Fernmeldeindustrie", ein Glasfasernetz in ganz Österreich und Multimedia-Dienste.

Er plante damals als ORF-General in spe aber auch gleich eine Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke nach Deutschland und in die östlichen Nachbarstaaten Österreichs, eine achtspurige, nachts beleuchtete "Golden Gate"-Brücke über die Donau zwischen Leopolsdberg und Bisamberg zur Verkehrsentlastung Wiens und eine ebenfalls nachs beleuchtete "Ehrenhalle der Republik" auf dem Bisamberg. Pichler: "Zum Unterschied von der Walhalla sollen in der österreichischen Ehrenhalle auch große Frauen der österreichischen Geschichte aufgenommen werden".

Mediziner und Forscher

Pichler, am 25. September 1921 in Mies (heute Tschechien) als Sohn österreichischer Eltern geboren, musste sein in Wien begonnenes Medizinstudium wegen des Zweiten Weltkriegs unterbrechen und wurde 1945 – als erster Österreicher nach dem Krieg – in Innsbruck sub auspiciis praesidentis zum Doktor der Medizin promoviert. Er arbeitete anschließend mehrere Jahre in der Schweiz, wo er an einer Klinik in Zürich die Penicillin-Allergie bei Kindern entdeckte.

Als Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde in Wien nahm er die Anregung eines Professors auf, die Arbeiten des österreichischen Medizin-Nobelpreisträgers Robert Barany über den Gleichgewichtsapparat im Ohr fortzusetzen. So kam er zur Raumfahrtmedizin und Weltraumforschung, spielt doch der Gleichgewichtssinn in der Schwerelosigkeit eine besondere Rolle. Im Zuge dieser Aktivitäten arbeitete er immer wieder mit der Nasa zusammen.

Gründer der Sigmapharm

Bereits 1949 gründete Pichler die Arzneimittelfirma Sigmapharm. In die Entwicklungsprojekte des Unternehmens flossen immer wieder auch Erkenntnisse aus der Raumfahrtmedizin und Weltraumforschung ein. Seine Expertise in diesem Bereich verhalf ihm zu einem weiteren Aufgabenfeld abseits der Medizin – etwa im ORF.

ORF-Serie

Der damalige TV-Chef Helmut Zilk machte ihm den Vorschlag, eine eigene Serie mit dem Titel "Der Mensch im Weltraum" zu gestalten, womit 1965 seine Fernseh-Karriere begann. Er war dabei so erfolgreich, dass er offizieller "Weltraumkommentator" des ORF wurde.

Während der US-Mondmissionen erhielt Pichler von seinen Kollegen den Spitznamen "Hals-Nasa-Ohrenarzt". Spätestens nach seiner mehr als 28 Stunden langen Marathon-Moderation am 20. und 21. Juli 1969 gemeinsam u. a. mit Peter Nidetzky und Hugo Portisch firmierte er nur noch als "Weltraumpichler" oder "Mondpichler".

Weltbestseller und Space-Lyriker

Gemeinsam mit ORF-Kollegen schrieb er 1969 den Weltbestseller "Die Mondlandung", in dem er seine Erfahrungen als Fernsehkommentator einbrachte. 40 Jahre später bezeichnete er in einem Interview mit der APA die Mondlandung als "das größte Abenteuer der Geschichte".

Nachdem er sich als TV-Kommentator zurückgezogen hatte, widmete sich Pichler wieder verstärkt der medizinischen Forschung – 1974 gründete er das österreichische Institut für Flugmedizin und Weltraumbiologie – sowie der Philosophie und der Literatur. So schrieb er Balladen und humoristische Gedichte, die er auch "Space-Lyric" nannte. Herbert Pichler wurde u.a. mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien und dem Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark ausgezeichnet. (red, APA, 29.5.2017)