Wenn Melanie ihren einjährigen Sohn Jonathan ruhig in seinem Gitterbett schlafen sieht, dann ist sie für einen kurzen Moment wieder eins mit der Welt. Kein Gedanke an das Chaos des Tages, den Alltag und die ständige Verantwortung. Es ist friedlich in der Wohnung, Ruhe ist eingekehrt. In diesem Moment scheint es Melanie dann doch so, als wäre ein wenig Last von ihren Schultern genommen.

Jürgen und Elisabeth haben den Eindruck, dass der ständige Streit und Zwist zwischen ihren beiden Söhnen David (12) und Valentin (15) die Atmosphäre in der Familie vergiftet. Sobald beide Jungs zu Hause sind, gibt es nurmehr Geschrei, Beschimpfungen, und die Türen knallen. Das geht den Eltern schon dermaßen auf die Nerven, dass sie fast täglich im Stillen den Tag herbeisehnen, an dem einer der beiden in eine eigene Wohnung ziehen wird.

Miriam (18) überlegt sich, wo sie nach der Matura studieren möchte. Sie kann gar nicht verstehen, wieso ihre Eltern sich dagegen sträuben, dass sie ins Ausland gehen möchte. Ihr jüngerer Bruder (15) hat soeben die Schule geschmissen und derzeit noch keinen Plan, wie er sein Leben gestalten soll. Er verbringt viel Zeit in seinem Zimmer und mit Freunden. Martha, die Mutter, macht sich Sorgen. Nach der Trennung ist sie für vieles allein zuständig und hat wenig Möglichkeiten, sich darüber mit jemandem austauschen.

Die schönen Seiten

Es gab eine Zeit vor dem ersten Kind. Da hat sich wohl der Großteil aller werdenden Eltern Gedanken darüber gemacht, wie es später einmal mit Kind werden würde. Wie sehr der Nachwuchs das eigene unabhängige Leben verändern, und welche großen Auswirkungen so ein Menschenleben auf das eigene Leben haben würde.

Beim Nachdenken darüber, ob man ein Kind möchte, fallen einem meist spontan nur schöne Seiten des Kinderhabens und Elternseins ein. Zwar hat man auch schon von anderen Eltern weniger schöne Erzählungen gehört, aber da denkt man sich, das eigene Kind wird bestimmt niemals so sein. Es wird kein sogenanntes Schreibaby werden, die Trotzphase nur am Rande streifen, in der Volksschule bereits die besten Noten haben und die Berufsausbildung ohne Irren konsequent bis ans Ende verfolgen.

In der Vorstellung der meisten Eltern und Bezugspersonen wird der eigene Nachwuchs der ganze Stolz der Familie sein, sich dem Druck des Erfolgs bereits in jungen Jahren beugen, die Zielstrebigkeit der Eltern in den Genen haben, nur Freunde und Bekannte mit nach Hause bringen, die, genauso geformt, bereits im Kindergarten wissen, was sie einmal werden wollen, und all das erfüllen, was die Eltern sich für ihr Kind wünschen.

Eltern haben oft die Vorstellung, dass sie Kinder und Familie in ihrem Leben brauchen, um glücklich zu sein. Sie machen also unter anderem ihr Glück vom Kind abhängig.

Auch wenn es mühevolle Jahre der Kindererziehung gibt – Kraft und Energie reinzustecken, lohnt sich.
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Die mühevollen Jahre

Und rückblickend auf die mühevollen Jahre der Kindererziehung kann man dann später doch sagen, wie gut es ist, so viel Kraft und Energie in den Nachwuchs gesteckt zu haben. Schließlich soll es sich doch auch lohnen, sich für eine Zeitlang einzuschränken, um dann, wenn der Nachwuchs seiner eigenen Wege geht, das Leben ruhiger und freier weiterleben zu können, vor allem die schönen Seiten des Elternseins und dann des Großelternseins zu genießen. Vielleicht, und aus Sicht mancher Menschen hoffentlich, lohnen sich die Entbehrungen, die das Elternsein mit sich gebracht hat, auch im Hinblick auf die Jahre des Alters, in denen man dann selbst Hilfe und Unterstützung benötigt und sich diese durch die eigenen Kinder wünscht.

Wenn sich aber in Gesprächen herausstellt, dass der Nachwuchs vielleicht weit wegziehen könnte, dann ist das für viele Eltern und Bezugspersonen oftmals schwer zu akzeptieren. Müttern und Vätern gehen da – wie so oft in den letzten Jahren – viele Gedanken durch den Kopf, ob und wie das Kind diese Herausforderung meistern wird. Trotz möglicher Bedenken zeigen sich jetzt fast alle verständnisvoll. Natürlich, denn es geht darum, dass das eigene Leben gelebt werden muss, (fast) jede Entscheidung mitgetragen wird und selbstverständlich die stolzen Eltern letztendlich davon berichten können, wie erfolgreich und zielstrebig, gutverdienend und lebenshungrig die Tochter/der Sohn in einer weit entfernten Stadt wohnt und dort ihren/seinen Traum lebt von einem mehr oder minder unabhängigen Leben.

Kontakt trotz Distanz

Dazu mischen sich aber auch die Trauer über den Abschied, der ansteht, Angst und Sorge um das Kind, die Überlegung, wie es gelingen kann, den Kontakt über die Distanz aufrechtzuerhalten und das Kind und die Enkelkinder immer wieder zu sehen. Und auch die Bedenken darüber, dass es, wenn nötig, eventuell mit der Pflege und Betreuung durch die Familie doch nicht klappen könnte. Zwar will man das eigene Kind möglicherweise damit auch gar nicht belasten, aber andererseits wünscht sich doch jeder Mensch eine vertraute Person, die ihn pflegt und unterstützt.

"Wenn ich das vorher gewusst hätte ..." ist ein Gedanke, den sicher viele Eltern und Bezugspersonen immer wieder einmal denken. Trotz aller Sorgen, Ängste und Schwierigkeiten, die das Leben mit Kindern mit sich bringt, gibt es zum Glück auch immer schöne Momente, die es wert sind, Kinder in die Welt gesetzt zu haben.

Wie waren oder sind Ihre Vorstellungen?

Wie haben Sie sich vor der Geburt Ihres ersten Kindes Ihr Leben mit Kind ausgemalt? Wie erleben Sie die Zeit mit Ihren Kindern? Welche Zeit war für Sie rückblickend die einfachste und schönste mit Kind? In welchen Situationen denken Sie schon mal "Wenn ich das vorher gewusst hätte ..."? Posten Sie Erfahrungen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 1.6.2018)