Teamchef Rassie Erasmus (rechts) berief Siya Kolisi (links) zum ersten schwarzen Kapitän der Springboks.

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Kapstadt/Wien – Meilenstein in Südafrikas Rugby: Mit Siya Kolisi wird erstmals in der 127-jährigen Länderspielgeschichte ein Schwarzer die Nationalauswahl aufs Feld führen. Der neue Teamchef Rassie Erasmus bestimmte Kolisi für die prestigeträchtige Best-of-Three-Vergleichsserie gegen England im Juni zum Anführer der Springboks.

Auch wenn der 26-Jährige wohl nur aufgrund der verletzungsbedingten Absenz seiner Vorgänger Warren Whiteley und Eben Etzebeth zum Zug kam, bleibt die Entscheidung eine historische, denn Rugby war in Südafrika die längste Zeit ein so gut wie exklusiv weißer Sport. Bis 1981 war es schwarzen Spielern sogar expressis verbis untersagt, das Nationaltrikot zu tragen.

Erst seit dem Ende der Apartheidpolitik im Jahr 1994 wurde damit begonnen, diskriminierende Strukturen zu verändern und Chancengleichheit für alle herzustellen. Dieser Transformation genannte Veränderungsprozess verläuft seither jedoch stockend und steht immer wieder im Zentrum heißblütiger Debatten. Das Ziel, bis zur Weltmeisterschaft 2019 50 Prozent nichtweiße Spieler in die Nationalmannschaft zu integrieren, wird kaum zu erreichen sein.

Der WM-Titel 1995 im eigenen Land, als Schwarze und Weiße gemeinsam feierten und der erst kurz davor zum Präsidenten gewählte Nelson Mandela im Springbok-Trikot den Pokal übergab, gilt bis heute als eines der wichtigsten Ereignisse in der Sportgeschichte Südafrikas. Mit Ausnahme von Chester Williams bestand das Team zu dieser Zeit noch vollständig aus weißen Spielern.

Ein idealer Kandidat

Erasmus, angetreten, um das Team aus einer hartnäckigen Krise zu führen, weist Symbolpolitik als Hintergrund seiner Entscheidung zurück. "Ich kenne ihn, seit er 18 ist. Ich mag ihn. Er ist verlässlich und gibt immer sein Bestes. Er ist außerdem eine große Führungspersönlichkeit. Alles andere und was das für unser Land bedeuten kann, ist ein Bonus", sagte der 45-Jährige. "Die Springboks anzuführen", so Erasmus weiter, "ist eine große Ehre."

Die sportliche Qualifikation Kolisis steht ohnehin nicht zur Debatte. Der 105 Kilo schwere Stürmer weiß, was die Rolle des Skippers mit sich bringt. Seit zwei Saisonen ist er Kapitän der Stormers, einer der populärsten Rugby-Franchises in Südafrika. Bereits als 22-Jähriger debütierte Kolisi für die Springboks, mittlerweile ist er 28-facher Internationaler.

Ihn als 61. Kapitän in der so glorreichen Geschichte des zweifachen Weltmeisters zu installieren, erscheint als ideale Wahl. Kolisi, dessen Ehefrau weiß ist, gilt als humorvoll, tritt Fans aus allen Bevölkerungsschichten offen entgegen, ist, kurz gesagt, absoluter Sympathieträger. Geboren in Zwide, einem ärmlichen Township von Port Elizabeth, nimmt Kolisi auch seine Funktion als Vorbildfigur bewusst und gern war. Sein Erfolg könne anderen Mut machen.

Zurück an die Spitze

Teamchef Erasmus sorgte nicht nur mit der Personalie Kolisi für Aufsehen. In seinem vorläufigen 43-Mann-Kader für das anstehende Länderspielfenster stehen 20 farbige Spieler – so viele wie noch nie. Die Bok-Sympathisanten – und die sind im Land am Kap sehr zahlreich – erwarten den Start in seine Ära mit großer Hoffnung. Rugby gehört mit Fußball und Cricket zu den drei beliebtesten Sportarten. Die Erwartung der Anhänger ist, dass ihr Team jedes Spiel, in dem es antritt, auch gewinnt. In den letzten Jahren trat dieser Fall jedoch viel zu selten ein. Die Springboks, deren Selbstverständnis es ist, mit den neuseeländischen All Blacks um die Weltherrschaft zu streiten, rutschten in der Weltrangliste auf Platz sechs ab – ein unerhörter Zustand.

Immer noch aber ist das internationale Standing Südafrikas herausragend. Mit Ausnahme Neuseelands ist die Bilanz der Springboks gegen jeden anderen Gegner positiv. Dafür, dass diese Statistik auch in Zukunft bestehen bleibt, soll nun Erasmus sorgen. Und dafür, dass das Team in Gold und Grün im nächsten Jahr um den WM-Titel mitspielt. (Michael Robausch, 29.5.2018)