Die Sputnik Planitia, die westliche Hälfte "Herzens" von Pluto liefert Hinweise, wie der Zwergplanet entstanden sen könnte.
Foto: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

San Antonio – Bis zu seiner Degradierung im August 2006 durch die Internationale Astronomische Union (IAU) galt er als äußerster Planet des Sonnensystems. Seither zählt Pluto zu den Zwergplaneten, unter ihnen ist er der größte und zweitmassivste – und doch wird er hinsichtlich seines Durchmessers (2.377 Kilometer) von den sieben größten Monden des Sonnensystems teilweise weit übertroffen. Seit die Nasa-Sonde New Horizons am 14. Juli 2015 in 12.500 Kilometern Entfernung am Pluto vorüber geflogen ist, haben sich die Erkenntnisse über ihn vervielfacht. Wie er entstanden sein könnte, ist allerdings nach wie vor unklar.

Nun haben US-Wissenschafter auf Basis von Daten der New-Horizons- und Rosetta-Mission der Esa eine neue spektakuläre Theorie vorgestellt: Der Pluto könnte demnach aus der Zusammenballung von Hunderten Millionen Kometen hervorgegangen sein, wie ein Team um Christopher Glein vom Southwest Research Institute in San Antonio, Texas, in einer kommenden Ausgabe des Fachjournals "Icarus" berichtet.

"Wir haben etwas entwickelt, das wir als das 'Gigantischer Komet-Modell' der Plutoformung bezeichnen", erklärt Glein. Im Zentrum der Untersuchungen stand der stickstoffreiche Eisschild in der äquatornahen Region Sputnik Planitia, das die westliche Hälfte des pluto'schen "Herzens" einnimmt.

New Horizons zeigte nicht nur, wie der Pluto aussieht, die Instrumente der Sonde liefern auch Daten zur Zusammensetzung seiner Atmosphäre und Oberfläche. Die vier Aufnahmen geben Aufschlüsse darüber, wo auf Pluto Methan (CH4), Stickstoff (N2), Kohlenstoffmonoxid (NO) und Wasser (H2O) konzentriert vorkommen.
Foto: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Überraschende Parallelen

"Wir haben eine verblüffende Übereinstimmung festgestellt zwischen der Stickstoffmenge im Inneren dieses Eispanzers und der Masse an Stickstoff, die man erwarten würde, wenn der Zwergplanet das Ergebnis einer Agglomeration von einer Milliarde Kometen oder anderer Kuipergürtelobjekte darstellt", meint Glein. Als Grundlage dieses Modells wählten die Forscher die chemische Komposition des Rosetta-Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko.

Als Alternative zur Kometen-These untersuchten Glein und sein Kollege Hunter Waite Jr., ebenfalls vom Southwest Research Institute, die Möglichkeit, dass Pluto aus sehr kaltem Eis entstanden ist. Nach diesem sogenannten "Sonnenmodell" müsste der Zwergplanet Parallelen zur chemischen Komposition der Sonne aufweisen.

Wichtig für das neue Kometenmodell ist nicht nur die aktuelle Stickstoffverteilung auf dem Pluto, sondern auch, wie viel des flüchtigen Elements möglicherweise schon aus dem Eis und der Atmosphäre in den Weltraum entkommen ist. Für ein einigermaßen stimmiges Bild der geochemischen Gegebenheiten auf Pluto ist auch das Verhältnis zwischen Kohlenstoffmonoxid und Stickstoff wichtig.

Ausschnitt aus der Region Sputnik Planitia. Die Szenerie zeigt weitläufige Eisebenen und Gebirge; die Distanz zwischen linkem und rechtem Bildrand beträgt etwa 400 Kilometer.
Foto: NASA / Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory / Southwest Research Institute

Ozean aus flüssigem Wasser

Die Analysen der verfügbaren Daten von dem fernen Zwergplaneten lieferten letztlich eine geringe Menge von Kohlenmonoxid, was nach Meinung der Forscher darauf schließen lässt, dass hier einst auch flüssiges Wasser vorhanden gewesen sein könnte. "Unsere Ergebnisse liefern plausible Hinweise darauf, dass Plutos ursprüngliche chemische Zusammensetzung, ein Erbe seiner Kometenbausteine, von flüssigem Wasser, womöglich sogar einem unterirdischen Ozean, verursacht worden ist", sagt Glein – schränkt allerdings ein, dass auch das Sonnenmodell gewisse Phänomene erklären würde.

"Insgesamt bleiben jedenfalls noch viele Fragen offen", so die Wissenschafter. "Unsere Forschungen zu Ursprung und Evolution des Pluto bauen auf den großartigen Erfolgen der New-Horizons- und Rosetta-Missionen auf", sagt Glein. "Indem wir Chemie als eine Art Detektivwerkzeug einsetzen, können wir einige heutige Strukturen auf Pluto auf uralte Entstehungsprozesse zurückführen – diese Details bereichern die 'Lebensgeschichte' von Pluto, zeigen uns aber auch, wie viel wir noch nicht wissen." (tberg, 2.6.2018)