Istanbul – Angesichts der dramatischen Talfahrt der türkischen Lira hat der türkische Vizeregierungschef Mehmet Simsek in London um das Vertrauen von Investoren in die Landeswährung geworben. "Unsere Kontakte in London waren sehr produktiv", schrieb Simsek am Mittwoch nach einem Treffen mit Bankern und Fondsmanagern auf Twitter. Nach den Wahlen im Juni soll es weitere "strukturelle Reformen" geben.

Simsek wurde bei dem Treffen in London von Zentralbankchef Murat Cetinkaya begleitet. Ihre Reise erfolgte zwei Wochen nach einem Besuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan in Großbritannien, bei dem er mit einem Interview für Unruhe unter Anlegern gesorgt hatte. Darin sagte er, nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 24. Juni wolle er die Kontrolle der Regierung über die Geldpolitik stärken.

Erdogan sprach sich zudem gegen eine Zinserhöhung aus, obwohl nach Ansicht von Ökonomen nur höhere Leitzinsen den Verfall der Währung stoppen können, die allein binnen eines Monats zehn Prozent ihres Werts verlor. Das Interview führte zu Zweifeln, dass die Zentralbank noch unabhängig entscheiden könne. Vorige Woche intervenierte die Zentralbank jedoch und erhöhte den Leitzins um 300 Basispunkte.

Geld- und wirtschaftspolitischen Instrumente gestärkt

Simsek erklärte nach dem Treffen in London nun, die Türkei habe ihre geld- und wirtschaftspolitischen Instrumente gestärkt und einen Prozess zur "Neuausrichtung" der Wirtschaft begonnen. "Die wichtigste Priorität ist der Kampf gegen die Inflation und das Leistungsbilanzdefizit", schrieb der für Wirtschaft zuständige Vize-Ministerpräsident auf Twitter. "Nach den Wahlen werden wir die strukturellen Reformen beschleunigen."

Die Inflation lag im April bei 10,85 Prozent, und das Leistungsbilanzdefizit betrug im März 4,8 Mrd. Dollar (4,15 Mrd. Euro). Ökonomen der Commerzbank bezeichneten Simseks Reise am Mittwoch als Versuch zur "Schadensbegrenzung" nach dem Besuch Erdogans in Großbritannien. Die türkische Währung reagierte zunächst positiv und stieg um 1,3 Prozent auf 4,5 Lira zum Dollar. (APA, 30.5.2018)