Schwierige Stellensuche: Wenn es mit der gewünschten Lehrstelle nicht klappt, hat Lehrer Aron Marton mit seinen Schülern schon einen Plan B und einen Plan C erarbeitet.

Foto: imago/photothek

Wien – Melih hat einen Traum. Er will Kfz-Mechaniker werden. Weil im Raum Wien aber viele junge Menschen diesen Lehrberuf ergreifen wollen, hat er bisher nur Absagen bekommen. "Zur Not versuche ich es mit Elektrotechnik", sagt Melih und zuckt mit den Schultern. Aber mithilfe seiner Lehrer werde er das schon schaffen.

Aron Marton nickt dabei zuversichtlich. Er habe mit seinen Schülerinnen und Schülern aber auch einen Plan B und C erarbeitet, erklärt der 35-Jährige beim Besuch des STANDARD am Schulstandort in Wien-Liesing – falls das mit dem Wunsch-Lehr- oder Schulplatz nicht klappen sollte.

Seit eineinhalb Jahren ist Herr Marton als "Teach for Austria"-Fellow hier an der "Brückenschule" im Einsatz, einer Neuen Mittelschule, die alle Kriterien erfüllt, um für die gleichnamige Bildungsinitiative als Zielschule zu gelten: Die Kinder hier kommen aus Familien, deren Einkommen im untersten Dezil der Gesellschaft liegen, ihre Eltern haben geringe oder keine Bildungsabschlüsse. An die 85 Prozent von ihnen haben eine andere Muttersprache als Deutsch.

Melihs Eltern zum Beispiel kommen aus der Türkei, er selbst wurde in Wien geboren. Und während er mit neun – auch dank Unterstützung der älteren Schwester – noch als einer der besten Schüler der Klasse galt, muss er heute, mit 14, nach einer Ehrenrunde an der NMS für seine Zukunft kämpfen.

Doch an der Brückenschule gibt es eben auch Brückenbauer. Herrn Marton etwa. Oder seinen Kollegen Christian Filko. Im Fach "Berufsorientierung" bilden der Englisch- und Biologie-Fellow und der frisch von der Pädag kommende Deutsch-, Geschichte- und Geografielehrer ein befruchtendes Doppel. Die beiden erzählen von Bewerbungsschreiben, die sie zusammen mit den Schülern verfassen, von Lehrstellen, die sie gemeinsam raussuchen, von Jobinterviews, die sie mit ihnen im Rollenspiel proben. Manche der Kinder seien schon mit dem Ausfüllen eines Bewerbungsformulars für eine weiterführende Schule überfordert. "Sie wissen zum Beispiel nicht, welche Schwerpunkte sie wählen sollen. Sie wissen oft nicht einmal, was ein Schwerpunkt ist", erzählt Marton.

Frage der Zukunftsperspektive

Sanela wollte es zunächst an einer Handelsakademie versuchen. Nach der Absage plante sie, die Zeit bis zum Ende der Schulpflicht im "Poly" zu verbringen. "Doch meine Lehrer haben gesagt, das kommt nicht infrage", grinst die 13-Jährige. Jetzt will sie eine Handelsschule besuchen und Bürokauffrau werden. Zur Vorbereitung hat sich ihr Lehrer auch während der Ferien Zeit genommen. Schließlich sollen alle nach der NMS gut unterkommen. Bei Sanela hat das bereits geklappt.

"Ich habe mich erkundigt: Die meisten Lehrstellen sind in der Zeit von November bis Jänner offen", sagt Herr Marton. Man merkt, er hat vor seiner Zeit an der Schule als Personalmanager gearbeitet. Also habe man gleich nach Schulbeginn losgelegt. Lehrer Filko erklärt, wie man vorgegangen ist: "Während die einen mit meinem Kollegen an den Bewerbungsschreiben für eine Lehrstelle gefeilt haben, haben die Kinder, die eine weiterführende Schule besuchen wollen, mit mir auf die Anforderungen an den künftigen Schulen hintrainiert."

Dort stünden die Jugendlichen dann nämlich vor völlig neuen Aufgaben. "Sie sind es nicht gewohnt, zu einem Text ihre Meinung zu äußern", sagen die Lehrer und kritisieren: "Das Schnittstellenmanagement am Ende der NMS funktioniert einfach nicht." Jedenfalls nicht systematisch. Es hänge zu sehr vom Engagement einzelner Lehrkräfte ab, welche Richtung die Schüler auf ihrem weiteren Lebensweg einschlagen. (Karin Riss, 3.6.2018)