Manuel Neuer kehrte gegen Österreich zum DFB-Team zurück, die Gastgeber zwangen ihn zwei Mal in die Knie.

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Klagenfurt – Rechtzeitig zum Aufwärmen, um 17.15 Uhr, setzte ein heftiges Gewitter samt Sturmböen und Hagel ein, der Himmel über Klagenfurt zeigte null Respekt vor Fußballweltmeister Deutschland. Hätte Bundestrainer Joachim Löw das gewusst, wäre er möglicherweise im Trainingslager im südtirolerischen Eppan geblieben, um Toni Kroos, Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller Gesellschaft zu leisten.

Das Quartett durfte den Tagesausflug nach Kärnten auslassen. Löw hatte sich dahin geäußert, dass ihm das Resultat gegen Österreich ziemlich egal sei. Dem kleinen Nachbarn zollte er freilich Respekt: "Sie werden uns alles abverlangen, haben ein gutes Kombinationsspiel." Deutschland beschäftigte nur ein Frage: Besteht Tormann Manuel Neuer den Belastungstest? Seit September hat er kein Spiel bestritten, ein hartnäckiger Mittelfußbruch verhinderte die Ausübung seines Berufs. Den Hagel hat er unverletzt überstanden.

Und dann doch

Im Gegensatz zum Rasen im Wörthersee Stadion, er hielt den Wassermassen, dieser Naturgewalt, nicht stand. Der Anpfiff mussten zunächst um 35 Minuten auf 18.35 Uhr verschoben werden. Eine Gewitterfront jagte und überholte die nächste. Um 18.45 Uhr, geplant war da eigentlich der Beginn der erholsamen Pause, inspizierte der tschechische Schiedsrichter Pavel Kralovec noch einmal den Platz. Und wartete bis 19 Uhr ab.

Rasen, Wasser, Ball.
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Bernhard Neuhold, der Geschäftsführer des österreichischen Fußballbundes ÖFB, wollte nicht vom Worst-Case, einer Absage und einem damit verbundenen finanziellen Schaden ausgehen: "Natürlich ist die Gesundheit der Spieler das Wichtigste." Löw und sein Kollege Franco Foda begutachten die Lage, stapften durch die Pfützen, schließlich sind sie schon gekommen, um kicken zu lassen, dem Samstagabend einen Sinn zu geben.

Marko Arnautovic sagte: "Wenn wir spielen, dann spielen wir." Um 19.10 Uhr nahm das Wunder seinen Lauf, der Regen hatte nachgelassen, die beiden Mannschaften erschienen tatsächlich und erst zum dritten Mal zum Aufwärmen. Anpfiff 19.45 Uhr. Das 40. Duell zwischen Österreich und Deutschland konnte also stattfinden. Unter Vorbehalt. Sollte sich der Untergrund im Laufe der Partie als zu gefährlich herausstellen, wäre ein Abbruch jederzeit möglich. Der Fall trat nicht ein.

Änderungen

Österreichs Teamchef Foda nahm im Vergleich zum 1:0 gegen Russland drei Änderungen in der Startformation vor: Tormann Jörg Siebenhandl, David Alaba und Florian Grillitsch rein, Tormann Heinz Lindner, Louis Schaub und Florian Kainz raus. Arnautovic konnte trotz Schienbeinprellung mittun, so einen Hit lässt er sich nicht entgehen, da hätte das Schienbein dreifach gebrochen sein müssen. Die Deutschen stecken mitten in der WM-Vorbereitung, sie haben zehn Tage Kondition geschunden, Teammanager Oliver Bierhoff wies darauf hin, dass von einer ausufernden Frische nicht auszugehen sei. "Trotzdem wollen wir gewinnen. Unsere Spieler wollen immer siegen, auch im Tischtennis"

Vor dem Spiel wurde inspiziert.
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Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die unlängst verhaltensauffällig wurden, indem sie sich an den türkischen Präsident Recep Erdogan extrem anbiederten und deshalb eine Debatte über Fehler in der Integration auslösten, machten mit. Foda verordnete ein flexibles 3-4-2-1-System, den Deutschen war das wurscht, sie hatten erwartungsgemäß mehr Ballbesitz und Ballsicherheit. 11. Minute: Siebenhandl besteht den Belastungstest nicht. Nach einem Rückpass von Martin Hinteregger trifft er mit seinem verpatzten Ausschuss Özil, der stoppt den Ball und schlenzt ihn zum 0:1 ins Netz. Das Tor hat er natürlich nicht Erdogan gewidmet.

Stark

Die Österreicher versuchten immer wieder zu kontern, schnell umzuschalten, das gelang nur in Ansätzen, Solospitze Arnautovic bemühte sich. 20. Minute: Siebenhandl wehrt einen Schuss von Julian Brandt spektakulär ab, eine zumindest kleine Wiedergutmachung. Die Deutschen verloren danach den Faden, der bekanntlich ein Strick ist. Die Gastgeber wurden mutiger, spielwitziger, attackierten früher. 31. Minute: Peter Zulj beschäftigt Neuer. 32. Minute: Florian Grillitsch nötigt Neuer zu einer Glanzparade. Löw hatte viele Wechsel angekündigt, ab der 46. Minute kickte Sebastian Rudy statt Sami Khedira, weitere Änderungen folgten.

Zuerst der Regen, dann die Freude.
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Die Fehler beim, vom Limit kilometerweit entfernten, Weltmeister häuften sich nach der Pause, Österreich wurde dafür richtig gut und immer besser, ja sogar großartig. 51. Minute: Alaba schießt knapp darüber. 53. Minute: Corner Alaba, Hinteregger volliert, am langen Eck völlig freistehend, auf spektakuläre Weise das 1:1. 54. Minute: Neuer rettet vor Arnautovic. Die Deutschen schwammen, was in einem Stadion, das Wörthersee heißt, zumindest halblustig ist. 66. Minute: Zulj verzieht knapp. 69. Minute: Traumkombination der entfesselnden ÖFB-Auswahl, Kapitän Julian Baumgartlinger setzt mit einem Querpass wunderbar Stefan Lainer ein, der legt für Alessandro Schöpf auf, der Tiroler, der schon gegen Russland getroffen hat, macht das logischerweise umjubelte und hochverdiente 2:1.

Serie

Und somit hat Österreich nach neun Niederlagen wieder gegen Deutschland gewonnen, zuletzt ist das 1986 der Fall gewesen (4:1 in Wien). Foda hat einen Rekord aufgestellt, er startete mit fünf Siegen ins Amt. Und die Mannschaft hat sieben Siege in Serie gefeiert, das gelang nur dem legendären Wunderteam unter Hugo Meisl zwischen 1933 und 1934.

Die Österreicher haben nun drei Tage frei, am Mittwoch versammeln sie sich in Bad Tatzmanndorf, um die Vorbereitung auf das Match gegen Brasilien am 10. Juni in Wien aufzunehmen. Die Deutschen werden am Sonntag in Eppan von Bundekanzlerin Angela Merkel besucht, sie wird sicher pünktlich sein und Worte der Aufmunterung finden. Immerhin hat Neuer den Test bestanden. (Christian Hackl, 2.6.2018)

Freundschaftliches Fußball-Länderspiel am Samstag in Klagenfurt:

Österreich – Deutschland 2:1 (0:1).
Wörthersee-Stadion, 29.200 Zuschauer (ausverkauft), SR Kralovec (CZE).

Tore: 0:1 (11.) Özil

1:1 (53.) Hinteregger

2:1 (69.) Schöpf

Österreich: Siebenhandl – Dragovic, Prödl, Hinteregger – Lainer, Grillitsch (79. Ilsanker), Baumgartlinger, Alaba – Schöpf (76. Bauer), P. Zulj (88. Kainz) – Arnautovic (84. Burgstaller)

Deutschland: Neuer – Kimmich, Süle, Rüdiger, Hector – Khedira (46. Rudy), Gündogan (56. Goretzka) – Brandt (67. Werner), Özil (76. Draxler), Sane (67. Reus) – Petersen (76. Gomez)

Gelbe Karten: keine