Irenäus Eibl-Eibesfeldt, der Mitbegründer der Humanethologie, verstarb am 2. Juni, kurz vor seinem 90. Geburtstag.

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Wien – In den letzten Jahren ist es etwas still um den streitbaren Wissenschafter aus Wien geworden. Gesundheitliche Probleme zwangen Irenäus Eibl-Eibesfeldt zuletzt, sich so gut wie ganz aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Am Samstag ist der Pionier der Humanethologie, der mit einigen seiner Thesen auch zum Stichwortgeber der Rechten wurde, nach einem erfüllten Forscherleben gestorben.

Dass er Wissenschafter werden wollte, war Eibl-Eibesfeldt, der am 15. Juni 1928 als Sohn eines Botanikers in Wien geboren wurde, schon in der Schule klar. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war er kurz als Flakhelfer tätig, ehe er danach an der Universität Wien Zoologie studierte. Noch während des Studiums forschte er zunächst an der Biologischen Station Wilhelminenberg bei Otto Koenig, ehe ihn Konrad Lorenz an sein Institut für vergleichende Verhaltensforschung nach Altenberg holte. Eibl-Eibesfeldt promovierte über die Paarungsbiologie der Erdkröte und wechselte 1951 mit seinem Mentor Lorenz nach Deutschland, wo die beiden zunächst in Buldern und dann in Seewiesen für die Max-Planck-Gesellschaft forschten.

Frühe Expeditionen

Schon früh nahm er an spektakulären Forschunsgreisen teil: 1953 heuerte Eibl-Eibesfeldt mit gerade einmal 25 Jahren bei Hans Hass an. Die meeresbiologischen Xarifa-Expeditionen führten ihn unter anderem zu den Galapagos-Inseln, in die Karibik und in den Indischen Ozean.

Hans Hass (links) und Irenäus Eibl-Eibesfeldt auf hoher See und in doppelter Mission: um populäre Filme zu drehen und um biologische Forschungen anzustellen.
Foto: Privatarchiv Eibl-Eibesfeldt

Während Hass seine höchst populären und erfolgreichen Dokumentationen drehte, an denen Eibl-Eibesfeldt als Forscher-Schauspieler mitwirkte, machte dieser Entdeckungen etwa über Putzsymbiosen bei Rifffischen oder Turnierkämpfe der Meerechsen.

Schon früh erkannte Eibl-Eibesfeldt die Gefährdung der Galapagos-Inseln, die Darwin berühmt gemacht hatte, und beantragte bei der Unesco den Schutz der Inseln. Er bekam 1957 den Auftrag für eine Erkundungsexpedition, sein Bericht darüber führte in Folge zur Gründung der Darwin-Forschungsstation auf Santa Cruz, zu ersten Schutzgesetzen und zu Eibl-Eibesfeldts Buch "Galapagos. Arche Noah im Pazifik" (1960).

Irenäus Eibl-Eibesfeldt auf den Galapagos-Inseln mit einer Riesenschildkröte.
Foto: Benedikt Kuby, CC BY-SA 3.0

Mitbegründer der Humanethologie

Im Laufe der 1960er-Jahre wandte sich der Zoologe von der Verhaltensforschung (Ethologie) an Tieren mehr und mehr der Erforschung des menschlichen Verhaltens zu, was seinem Lehrer Lorenz nicht so ganz recht war, der auch Eibl-Eibesfeldts Habilitation nicht unterstützte, die ihm trotzdem 1963 gelang. Der emanzipierte Schüler blieb weiter beharrlich und verfolgte im Laufe der Jahrzehnte ein umfassendes Forschungsprogramm, mit dem er sich rund um den Globus auf die Suche nach sogenannten Universalien des menschlichen Verhaltens begab.

Eibl-Eibesfeldt in einem Interview Ende 2012, unter anderem über seine Zusammenarbeit mit Konrad Lorenz und Hans Hass.
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Damit verstand er mutmaßlich angeborene Gemeinsamkeiten insbesondere beim Ausdruck von Gefühlen, was auch schon Charles Darwin bemerkt hatte. Eibl-Eibesfeldt konnte zeigen, dass Wut, Trauer, Erstaunen, Verlegenheit, Freude und selbst das Grüßen quer durch die verschiedensten Kulturen erstaunliche Ähnlichkeiten aufwiesen. Dazu reiste er mehrfach unter anderem zu den Yanomami in Venezuela, den San in Botswana und den Eipo in Neuguinea.

Zum Beweis seiner Theorie, dass jeder Mensch sein im Laufe der Evolution erworbenes Erbe in sich trage, untersuchte Eibl-Eibesfeldt auch gehörlos und blind Geborene. Er belegte, dass sich auch bei diesen Personen viele der typischen mimischen Ausdrucksbewegungen entwickeln, obwohl sie nahezu keine Möglichkeiten haben, von menschlichen Vorbildern zu lernen. Der Wissenschafter hat daraus auf eine universale Grammatik des Sozialverhaltens geschlossen, ein "Verhaltensprogramm", das in den unterschiedlichsten Kulturen nach den gleichen Mustern abläuft.

Die beiden Hauptwerke und ein Filmarchiv

Mit seinen beiden Hauptwerken "Grundriss der Vergleichenden Verhaltensforschung" (1967) und dem 1984 veröffentlichten Buch "Die Biologie des menschlichen Verhaltens" gelang ihm eine Etablierung der Humanethologie als eigener Forschungszweig. Er selbst leitete an Lorenz’ Institut zunächst seine eigene humanethologische Abteilung, ehe er eine unabhängige Forschungsstelle erhielt. Zudem war er von 1969 bis zu seiner Emeritierung 1996 außerplanmäßiger Professor an der Universität München.

Neben seinen zahlreichen Publikationen über angeborene und erlernte Verhaltensweisen, entstand ein einzigartiges humanethologisches Filmarchiv, das über 300 Kilometer Film aus dem Alltagsverhalten in verschiedenen Kulturen umfasst und das heute in Frankfurt am Main untergebracht ist.

Ende der 1980er-Jahre wandte sich der Wissenschafter stadtethologischen Themen zu und damit der Frage, wie der Mensch mit seinen angeborenen Verhaltensmustern in modernen Lebenssituationen umgeht. 1992 gründete er gemeinsam mit Karl Grammer das Ludwig Boltzmann-Institut für Stadtethologie in Wien. Das Institut existiert heute zwar nicht mehr, doch die humanethologischen Forschungsansätze werden im Department für Anthropologie der Uni Wien nach wie vor verfolgt.

Popularisierung und Kritik

Zur publikumswirksamen Verbreitung seiner Forschungen trug auch bei, dass er einen guten Draht zu den Medien hatte und nicht zuletzt in der Person Hans Dichands, des langjährigen Herausgebers der "Kronen-Zeitung", einen Anhänger. Bei Sozialwissenschaftern, insbesondere bei Sozialpsychologen, stieß Eibl-Eibesfeldt hingegen immer wieder auf Kritik; man warf ihm "Reduktionismus" und die Nichtbeachtung psychologischer und soziologischer Erkenntnisse vor. Er begegnete solchen Vorwürfen meist damit, dass er seinen Kritikern das Erlernen biologischer Grundkenntnisse empfahl.

Insbesondere Eibl-Eibesfeldts aggressionstheoretische Behauptungen, etwa dass der Mensch seiner Natur nach tendenziell fremdenscheu sei, fanden zahlreiche Kritiker sowohl in der Wissenschaft wie auch in der Politik. Zugleich stießen seine umstrittenen Thesen von der "Überfremdung", seine Kritik an der multikulturellen Gesellschaft und seine Forderung, dass Immigration mit Assimilation einherzugehen habe, spätestens seit den 1990er-Jahren in rechten Kreisen auf erhebliche Resonanz. So berief sich auch Jörg Haider immer wieder auf den Wissenschafter, und die intellektuelle Rechte würdigt bis heute Eibl-Eibesfeldts umstrittene Naturalisierungen der Fremdenfeindlichkeit.

Die Diskussionen angesichts der Flüchtlingskrise und das Erstarken jener Kräfte, die wieder vor "Überfremdung" warnen, mag Eibl-Eibesfeldt in den letzten Jahren als späte Bestätigung seiner Behauptungen empfunden haben. Er selbst hat sich zu den jüngeren Entwicklungen nicht mehr öffentlich geäußert. Der Forscher starb am Samstag im Kreise seiner Familie in Starnberg in Bayern. (Klaus Taschwer, 2.6.2018)