Wien – Die Protestplattform "Wir für den ORF" kritisiert Organisation und Inhalt der bevorstehenden Medienenquete der Bundesregierung und lädt am Vorabend der parlamentarischen Veranstaltung zu einer Gegenveranstaltung ein. Die "bessere, größere, öffentliche Medienenquete" findet am Mittwoch ab 18 Uhr am Wiener Karlsplatz mit Reden und Musik statt.
Am Donnerstag und Freitag folgen dann im Museumsquartier Vorträge und Diskussionen mit Experten aus dem In- und Ausland. Thema der Enquete der Regierung ist die Neuausrichtung der österreichischen Medienpolitik mit besonderem Augenmerk auf ein neues, von beiden Regierungsparteien gefordertes ORF-Gesetz. Die Veranstaltung soll Grundlage für das Gesetz sein. Montagvormittag taten Mitglieder der Plattform "Wir für den ORF" ihr Unbehagen darüber und.
Nett haben und nicht gestört werden
"Ich fürchte, man wird es miteinander nett haben wollen und nicht gestört werden", sagte Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren. Das Programm der Enquete lese sich "gefällig"; in der medienpolitischen Sache würden ÖVP und FPÖ aber dann wohl "rigoros" vorgehen.
So gut wie nicht vertreten bei der Enquete seien zum Beispiel Wissenschafter, sagte Ruiss. Die Mediensoziologin Eva Flicker hält das für "irritierend". Öffentlich-rechtlicher Rundfunk habe darüber hinaus die Möglichkeit, "große gesellschaftliche Lebensbereiche anzusprechen, dazu gehört unabhängige Finanzierung", sagt Flicker.
Wirtschaftslastig, Medienvielfalt kaum ein Thema
Die Enquete sei außerdem zu wirtschaftslastig, umgekehrt werde über Medienvielfalt kaum geredet, lautet ein weiterer Vorwurf an das Programm der Regierungsveranstaltung. Nach Meinung von Rubina Möhring von Reporter ohne Grenzen tendiert der ORF "in Richtung Staatsfernsehen". Sie erwartet sich "von der österreichischen Bundesregierung, dass mit dem Postenschacher aufgehört wird".
"Neu ist die Dreistigkeit", sagt Schauspieler Cornelius Obonya. Fragen der österreichischen Identität besprechen Kunstschaffende in einem Tagesordnungspunkt bei der Enquete, das sei "dürftig" und entspreche "insgesamt nicht der Realität", kritisiert Ruiss und missfällt auch Obonya, dem Internationalität fehlt: "Es wird der Laden eher zugemacht. Die frische Luft bleibt draußen. Ohne frische Luft erstickt man."
Echte Sorge
Meinungsforscher Udo Bachmair, nach eigenen Angaben "längstdienender Moderator des ORF", sieht in Hinblick auf die medienpolitischen Entwicklungen Österreichs "echte Sorge" angebracht. In den letzten Wochen und Monaten habe es "nie da gewesene Angriffe und Untergriffe gegen den ORF und Journalisten" gegeben: "Das Gefühl, unter Druck zu stehen, ist bei ORF-Journalisten deutlich gewachsen", berichtet Bachmair.
Wirtschaftswissenschafter Stephan Schulmeister regt an, "dass wir wieder lernen: Aufklärung, Förderung des sozialen Zusammenhaltes, Förderung von Kultur sind ihrem Wesen nach öffentliche Güter."
Fehlende Einbindung
Helga Schwarzwald vom Verband der Freien Radios sieht sich bei der Medienenquete als Zuhörerin "leider nicht am Podium": Gemeinnützige Medien kommen in der zweitägigen Diskussionsveranstaltung gar nicht zur Sprache. Für Schwarzwald ist das ein "Debakel", weil "weder kommerzielle Sender noch der ORF die Einbindung der Bürger leisten", sagt Schwarzwald.
Bei der Kundgebung sprechen unter anderen "Falter"-Herausgeber Armin Thurnher, die Autorin Ingrid Brodnig, Uni-Rektorin Eva Blimlinger, die Philosophin Isolde Charim, die Kabarettisten Florian Scheuba und Thomas Maurer, ORF-Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser, Volkshilfe-Chef Erich Fenninger und der frühere ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz. Für die musikalische Begleitung sorgen unter anderen Maja Osojnik, Willi Resetarits und Ernst Molden. (prie, 4.6.2018)