Die Häme war absehbar. Der Rapper Kanye West behauptet auf seinem neuen Album Ye, an bipolarer Störung zu leiden. Das erkläre seine irrlichternden Statements, sein erratisches Verhalten. Dieses gipfelte zuletzt in der Aussage, wer 400 Jahre lang Sklaverei ertrage, tue das wohl aus freien Stücken. Der Aufschrei angesichts dieser nur von ihrer Arroganz übertroffenen Dummheit war groß. Gleichzeitig blieb unklar: Sollte diese Provokation nicht bloß auf das neue Album des 41-jährigen US-Amerikaners aufmerksam machen?

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Provoziert wieder einmal: Kanye West.
Foto: AP/Chris Pizzello

Notwendig gewesen ist sie nicht. Wenn einer der erfolgreichsten Rapper der Welt den Satz "I hate being Bi-Polar its awesome" auf das Cover seines neuen Albums schreibt, reicht das. Eine bipolare Störung bedingt krasse Stimmungsschwankungen. Ob diese seine Aussagen und sein Kuscheln mit Donald Trump rechtfertigen, sei dahingestellt. Es wirft aber ein neues Licht auf seine Musik. In ihr treffen genialische Momente auf Banales. Ye ist nun so etwas wie die Bestätigung von Wests Diagnose. Es beginnt mit einer Meditation über Mord und Suizid. I Thought About Killing You heißt der Track. Die schönsten Gedanken, sagt er darin, sind die dunkelsten. Hinter diesem Spoken-Word-Bekenntnis wabert eine Soundcloud – bis er zur Hälfte des Titels eine Bassspur unterlegt. Genie blitzt da keines auf.

Kanye West - LOVE EVERYONE

Das auf 23 Minuten und sieben Stücke ausgelegte Album klingt eher wie eine Fingerübung: Einmal das Heimstudio hochfahren, ein paar Raps, danke. Nur Ghost Town wirkt, als habe er darauf mehr Ehrgeiz verwendet. Auf einem Sample von Vanilla Fudge gebaut, verströmt es Gospel-Feeling – bevor eine Gitarre einsetzt. Das verfängt eher als seine Ansagen über Mord und Suizid. Wobei – wenn es denn stimmt – gilt es ab sofort doch zu berücksichtigen, dass der Mann an einer Krankheit leidet. Einer, die er seine Superkraft nennt. Es dürfte also irrlichternd weitergehen. (flu, 4.6.2018)