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Schon seit Tagen gehen in Jordanien Tausende auf die Straßen. Nun wurde der Premier entlassen – ob dies die aufgebrachten Menschen besänftigt, ist zweifelhaft.

Foto: AP / Raad Adayleh

Amman – Jordanien bekommt nach der Entlassung von Hani al-Mulki durch König Abdullah II. am Montag den achten Premierminister seit 2007: Und wie seine Vorgänger ist auch Omar al-Razzaz ein Ökonom, dem zwischen der wirtschaftlichen Misere im haschemitischen Königreich und den Wünschen des Internationalen Währungsfonds (IWF) nur ein schmaler Pfad bleiben wird. Zwar ist mit dem Rücktritt Mulkis eine Forderung der Demonstranten erfüllt, die seit Tagen in etlichen jordanischen Städten auf die Straße gehen. Aber es ist fraglich, ob sich die Gewerkschaften, die für Mittwoch zu einem erneuten Streik aufgerufen haben, damit zufriedengeben, dass "Mohammed Ahmads Posten bekommt und Ahmad den von Mohammed", wie es in Jordanien heißt.

Viel mehr hat der Staat aber nicht zu bieten, wenn er weiter die Vorgaben der Schuldenreduktion (von 94 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 77 bis 2021) erfüllen will, an die ein 2016 gewährter IWF-Kredit von 723 Millionen Dollar gebunden ist. Es muss eisern gespart werden, Preisstützen fallen, Steuern werden eingeführt. Das sind jedoch Attacken auf die heiligen Kühe eines Systems wie des jordanischen. Die Leute sind arm, es wird aber minimal für sie gesorgt.

Einlenken von oben

Proteste sind nichts Außergewöhnliches in Jordanien, aber diesmal scheint es an die Substanz zu gehen. Vergeblich hat König Abdullah die Preissteigerungen bei Strom und Benzin zurücknehmen lassen. Kronprinz Hussein setzte den außerordentlichen Schritt, von den Sicherheitskräften Zurückhaltung und Respekt für die Meinungsfreiheit der Demonstranten zu fordern. Als nach einer drastischen Brotpreiserhöhung – durch Wegfall der Stützung des Weizenpreises – im Jänner Proteste ausbrachen, war die Antwort noch vor allem Repression. Das ganze Ausmaß der Unzufriedenheit wurde jedoch im März sichtbar, als Rechtsanwälte den Staatssicherheitsgerichtshof boykottierten, von dem Demonstranten abgeurteilt werden sollten.

Es geht nicht nur um Preise und Steuern – die neue Einkommenssteuer etwa trifft nur Gehälter, die deutlich über dem Durchschnittsgehalt liegen. Bereits im März wurden Forderungen nach Neuwahlen unter einem neuen, weniger manipulativen Wahlgesetz laut sowie nach Transparenz und Bekämpfung der Korruption – wobei Letzteres natürlich auch der IWF will. Die Demonstranten kritisieren die Regierung – wohl wissend, dass in Jordanien der Premier nichts macht, was der König nicht abgesegnet hat.

Das ressourcenarme Jordanien hat seit Jahrzehnten außerordentliche Belastungen zu tragen, die hunderttausenden Flüchtlinge aus Syrien sind nur die letzte davon. In den vergangenen Jahren konnte das Land auf Unterstützung aus den Golfkooperationsstaaten (GCC) rechnen, aber das 2017 ausgelaufene Hilfsprogramm wurde nicht erneuert.

Bedeutungsverlust

Die USA sind da großzügiger, die Unterstützung bleibt konstant und wird 2018 mehr als 1,5 Milliarden Dollar betragen: Die Stabilität Jordaniens, das 1994 einen Friedensvertrag mit Israel abgeschlossen hat, gehört zu den strategischen Prioritäten der USA. Gleichzeitig verliert Jordanien für die USA von Präsident Donald Trump an Bedeutung: Er setzt auf die Achse USA-Israel-Saudis.

Jordanien, mit einer palästinensischen Bevölkerungsmehrheit, wird als der klassische Vermittler zwischen Palästinensern und Israel nicht nur nicht mehr gebraucht, sondern ist sogar unerwünscht – widersetzt sich doch König Abdullah den US-Plänen für Jerusalem als alleinige israelische Hauptstadt, die der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman offenbar akzeptiert hat.

König Abdullah deutete jüngst selbst an, dass dies Jordanien die Hilfe Riads gekostet habe. Vielleicht war das ein Versuch des Königs, der bei weitem nicht so beliebt wie sein 1999 verstorbener Vater ist, Sympathie zu gewinnen. Die Gerüchte, dass die Unruhen gesteuert sind, um ihn in der Jerusalem-Frage weichzuklopfen, werden aber nicht ausbleiben.

Der berühmte Name Razzaz

Der jordanische König hat beim Arabische-Liga-Treffen von Dhahran (Saudi-Arabien) Mitte April ein Zusammenkommen mit dem saudischen Kronprinzen vermieden, während sein Handshake mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani beim Gipfel der OIC (Organisation of Islamic Cooperation) in Istanbul im Mai Aufsehen erregte. Der neue jordanische Premier, Omar Munif al-Razzaz, ist indes so gewählt, dass sich die jordanisch-saudischen Beziehungen nicht schlagartig verbessern dürften: Es ist der Sohn von Munif al-Razzaz, eines syrischen Politikers, der Mitte der 1960er Jahre der letzte Generalsekretär des Nationalkommandos der Baath-Partei war, ein gestandener arabischer Nationalist.

Man könnte seine Ernennung als Botschaft verstehen, dass sich Jordanien nicht nur mit Bashar al-Assads Verbleib an der Spitze des syrischen Staates abgefunden hat, sondern die Beziehungen verbessern will. Aber auch wenn König Abdullah politisch seine eigenen Wege geht: Die wirtschaftlichen Probleme in Jordanien löst das nicht. (Gudrun Harrer, 4.6.2018)