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UN-Posten auf dem Golan: Gemäß Untersuchung gelten die heimischen UN-Kräfte militärisch und völkerrechtlich als entlastet.

Foto: ATV/Interfoto/picturedesk.com

Nach dem Wirbel um die Videoaufzeichnungen österreichischer Blauhelme rund um einen folgenschweren Vorfall auf dem Golan am 29. September 2012, bei dem neun syrische Geheimpolizisten in den Kugelhagel eines offensichtlichen Hinterhalts gerieten, präsentierte die von Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) eingerichtete Untersuchungskommission betont unaufgeregt ihre Ergebnisse. Statt Kunasek saß am Dienstag dessen Generalsekretär Wolfgang Baumann auf dem Podium, flankiert von Mitgliedern der Kommission, darunter Völkerrechtler Sigmar Stadlmeier von der Universität Linz.

Im Zuge der Befragungen von zwanzig heimischen Militärs, die allesamt in die Befehlskette eingebunden waren, kam die Kommission zu diesem Ergebnis: "Das Verhalten der österreichischen Undof-Soldaten entsprach der für sie geltenden völkerrechtlichen Auftrags- und Weisungslage – und war somit mandatskonform."

Strikte Anweisung

Die UN-Kräfte vor Ort hätten strikte Anweisung gehabt, sich nicht in bewaffnete Auseinandersetzungen einzumischen und "jegliches Verhalten zu unterlassen, das von einer der Konfliktparteien als Einmischung gesehen werden konnte", so Herbert Walzer, Leiter der Kommission und im Ressort Disziplinaranwalt.

Anhand von 3D-Animationen, zur besseren Übersicht an die Wand projiziert, erläuterte Walzer akribisch den gesamten Ablauf nahe dem UN-Posten Hermon Süd: dass der Einsatztag mit dem Entdecken eines toten Esels auf der Zufahrtsstraße begonnen habe, in dessen Nähe sich schon wenig später nicht zuordenbare Personen einfanden, die in Richtung der Österreicher Gesten setzten, die offenbar ein Halsdurchschneiden andeuten sollten. Danach beobachteten die heimischen Soldaten, wie in der Nähe eine ganze Gruppe Bewaffneter Steine aufschichtete, offenbar um Stellung zu beziehen. An dem Tag ebenfalls auffällig: dass ein weißer Pick-up mit syrischen Geheimpolizisten, unüblich stark bewaffnet, in die eigentlich entmilitarisierte Zone zwischen Israel und Syrien fuhr – womöglich um Ausschau zu halten.

Am Nachmittag erreichte der Pick-up Hermon Süd, zuvor waren die Syrer an dem Hinterhalt ohne jeglichen Beschuss vorbeigefahren. Der UN-Posten – und diese Information ist für die Öffentlichkeit neu und essenziell – liegt am Ende einer Gebirgsstraße. Hier geht es nicht mehr weiter, sondern nur noch retour.

"Take care! Take care!"

Wie bei der erneuten Präsentation der Videomitschnitte im Verteidigungsressort außerdem zu hören war, hat der Postenkommandant die syrische Mukhabarat-Patrouille mit diesem Kommentar zurückfahren lassen: "Take care! Take care!" Damit hat er "das Maximum seiner Handlungsfreiheit genützt", wie Walzer erklärte. Das anschließende Feuergefecht war "durch die Soldaten vor Ort nicht zu verhindern – egal wie sie sich verhalten hätten", resümierte Baumann quasi als Stellvertreter des Ministers.

Was die umstrittene Kommentierung des Vorfalls in den Videoaufzeichnungen betrifft ("Ana is scho owegfoin!", "A poar Tote san scho!"), habe sich der 22-jährige Korporal – es war sein erster Einsatz – vor der Kommission entschuldigt. Er habe angesichts der Ereignisse "zuerst gesprochen und dann nachgedacht".

Der Vorfall sei damals an die Uno und das Ministerium in Wien gemeldet worden: "Da wurde nichts unterschlagen", sagte Walzer. Allerdings wären einst "fast täglich Schießereien" gemeldet worden. Auf Nachfragen meinte Baumann, dass Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) wohl informiert worden sei – allerdings wahrscheinlich "nicht in diesem Detaillierungsgrad".

Staatsanwaltschaft prüft

Weil das verstörende Video auch bei einer Schulung zur Einsatzvorbereitung aufgetaucht ist, hat Kunasek den Untersuchungsauftrag noch erweitert. Hier lautet der Erkenntnisstand, dass dies informell geschah, also dass das Video in einer Pause kursiert sei. "Wir sehen darin ein gewisses Fehlverhalten, aber wenn hier ein disziplinärer Hintergrund gegeben wäre, dann hätte es hier mittlerweile eine Verjährung gegeben", so Baumann.

Auf Anfrage bestätigt Oberst Michael Bauer vom Verteidigungsressort, dass das gesamte Material der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt werde. Ende April gab die Anklagebehörde bekannt, dass sie prüfe, unter welchen Tatbestand das Verhalten der UN-Militärs fallen könnte. Sprecherin Nina Bussek zum STANDARD: "Nach Einlangen werden wir den Bericht prüfen – und erst dann wird über weitere Schritte entschieden." (Nina Weißensteiner, 5.6.2018)