Technisch sind die Sexroboter noch weit von dem entfernt, was ihre Entwickler umsetzen wollen.

Foto: Realbotix

"Harmony", "Roxxxy" und andere Sexroboter haben es in den vergangenen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen geschafft und Diskussionen ausgelöst. Wird Sex mit Maschinen in Zukunft normal? Können Menschen mit Robotern eine intime Bindung aufbauen? Die Hersteller in dieser noch jungen Branche streben das jedenfalls an. Ihre Kreationen sollen nicht nur körperlich befriedigen, sondern eines Tages auch normale Konversationen führen und Emotionen zeigen können.

Eine Zukunftsvision, die auf unterschiedliche Haltungen trifft. Wo die einen für Akzeptanz werben, fordern andere Regulierungen oder gar totale Verbote. Engadget hat einen Blick auf den Status Quo und die Perspektiven dieser Technologie geworfen.

In den Kinderschuhen

Auf technischer Ebene ist man noch weit weg vom eigenen Ziel. Der ausgereifteste Roboter bisher ist wohl "RealDollx", der nach einiger Verspätung bald sein Marktdebut geben soll. Was man hier erhält, ist ein robotischer Kopf auf dem Körper einer realistisch gehaltenen Sexpuppe. Körper und Gesicht können in ihren Merkmalen vom Kunden detailliert angepasst werden. Auch die Persönlichkeit ist wählbar. Voraufgespielt sind zwei Charaktere mit den Namen "Harmony" und "Solana".

Keiner der aktuell in Arbeit befindlichen Sexroboter kann auf eigenen Beinen stehen, geschweige denn gehen. RealDollx bewegt ausschließlich Kopf, Augen und Mund. Flüssige Gesprächsführung funktioniert noch nicht besonders gut. Die künstliche Intelligenz, die über ein Smartphone konfiguriert wird, hat noch einige Probleme beim Interpretieren natürlicher Sprache. Wenn sie redet, hört man deutlich die Motoren, im Inneren ihres Kopfes surren. Die Synchronisierung der Lippen zum Gesprochenen funktioniert nicht besonders gut.

Zwischen Akzeptanz und Ablehnung

Kate Devlin und Kathleen Richardson bilden zwei Gegenpole, wenn es um Erwartungen und Akzeptanz von Sexrobotern geht. Devlin, Wissenschaftlerin für Mensch-Computer-Interaktionen an der University of London und Veranstalterin eines jährlichen Sex-Tech-Hackathons, wirbt für Offenheit. Sie sagt, dass Sexroboter nicht unbedingt wie Menschen aussehen müssten, aber zukünftig helfen könnten, sexuellen Missbrauch einzudämmen.

Richardson, Professorin für Ethik und Kultur im Bereich Roboter und Künstlicher Intelligent an der De Montfort University steht hinter einer Kampagne, die das Verbot von Sexrobotern fordert. Sie befürchtet, dass die Erotik-Maschinen Geschlechterstereotype stärken und zu mehr Menschenhandel und Kindesmissbrauch beitragen könnten.

Gegen Gleichstellung von Roboter und Mensch

Die Wissenschaftlerin geht davon aus, dass Sexarbeit grundsätzlich nicht konsensual ist und vergleicht Sexroboter mit Sklaven. Sie spricht sich freilich nicht generell gegen Roboter aus, legt aber großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine. "Wir erschaffen Werkzeuge und diese Werkzeuge ermöglichen es uns, ein anderes Leben zu führen. (…) Das ist keine Kampagne gegen Roboter (…), Das ist eine Kampagne gegen die Idee, dass Menschen mit Maschinen vergleichbar wären." Sie will eine klare Linie zwischen realen Personen und Produkten ziehen.

Sexroboter würden aus einer Situation fundamentaler Ungleichheit geschaffen und diese einfach reproduzieren. Sie reflektierten einfach die sexuelle Objektifizierung von Mädchen und Frauen.

Übertriebene Angst

Devlin sieht derzeit keine Gefahr, zumal wirklich ausgereifte Sexroboter noch gar nicht existieren. Der Medienhype gibt den Status Quo ihrer Ansicht nach nicht akkurat wieder. Die Vision solcher Roboter, die sowohl sehr aufregend und sehr angsterregend ist, sei aber offenbar extrem faszinierend für viele Menschen.

Es sei auch sehr einfach, Angst vor ihnen zu erzeugen – zuerst stehlen Roboter unsere Jobs und dann unsere Beziehungen. In einer Einschätzung treffen sich Devlin und Richardson: Die aktuelle Generation der Sexroboter tut Frauen nichts Gutes.

Hersteller kritisiert Hype

Diese Kritik kennt man auch bei Abyss Creations, wo die Realdollx-Roboter entstehen. Dort arbeitet Matt McMullen mittlerweile an einem männlichen Sexroboter namens Henry. Sein Körper ist bald fertig, in wenigen Monaten soll die Arbeit an seiner künstlichen Intelligenz beginnen. Er besteht auch darauf, dass "Harmony" viel mehr sei, als nur ein Lustobjekt. Bei seinen Robotern gehe es hauptsächlich um Geselligkeit und Freundschaft, der Sex sei sekundär. Sie könnten künftig auch als Rezeptionisten oder Pfleger arbeiten. Dass hauptsächlich über Sexroboter geredet wäre, sei die Schuld der Medien.

Allerdings ist es das Geschäft, aus dem McMullen kommt. Bevor er anfing, Roboter zu bauen, stellte er 20 Jahre lang "normale" Realdoll-Sexpuppen her.

Abendessen mit den Sexrobotern

Aber auch der Engagdet-Autor störte sich an den medialen Schlagzeilen zum Thema, die seiner Meinung nach oft übertrieben oder falsch waren. Um dem Hype entgegen zu wirken, wollte er Sex mit einem von McMullens Roboter haben. Eine entsprechende Anfrage lehnte er ab, stattdessen wurde aber ein Abendessen mit robotischen "Ehrengästen" ausgemacht. Der Autor lud dazu Freunde ein, die darüber im Vorfeld nicht informiert waren.

Nach anfänglicher Skepsis und Vorsicht zeigte sich, wie weit die Roboter noch davon entfernt sind, als freundschaftliche Begleitung zu fungieren. Sie fielen anderen ins Wort, scheiterten an einfachen Fragen und saßen sonst ruhig herum, drehten ihre Köpfe und blinzelten gelegentlich, um lebendig zu wirken.

Noch kaum mehr als ein Partygag

Als das Dessert serviert wurde, waren sie längst von eigenwilligen Gästen zum Partygag geworden. Sie saßen halbnackt am Tisch, wurden überall angefasst, Leute machten Selfies mit ihnen und Scherze über sie.

Derweil laufen bereits die ersten Arbeiten für Version 2.0 von Realdollx. McMullen und sein Team denken über Funktionen wie ein internes Heizsystem und eine Selbstbefeuchtungsfunktion für die Genitalien nach. Langfristig will man mit der kanadischen Firma Sanctuary zusammenarbeiten, deren ultimatives Ziel die Erschaffung eines humanoiden Roboters ist, den man nicht mehr von einem Menschen unterscheiden kann.

Der Weg bis dahin ist noch weit. Genug Zeit, um bis dahin herauszufinden, ob und wie Sexroboter in unser Leben passen. (red, 10.06.2018)