Etappensieg gegen Youtube: ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker.

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Wien – Es geht auch hier um Geld und Recht. Geld, das Social Media mit Werbung um jene Videos einnimmt, die Userinen und User, aber auch Firmen dort hochladen. Videos von Fernsehsendern – wie etwa auch Puls 4 mit den Urheberrechten an den Sendungen. Um die streitet Markus Breitenecker, Chef von ProSiebenSat1Puls4 in Österreich schon seit 2014 vor hiesigen Gerichten mit Youtube und Google, der übergeordneten Konzerneinheit der Videoplattform.

Und Breitenecker hat einen wesentlichen Etappensieg gegen den Onlineriesen erzielt: Nach dem Wettbewerbsrecht (Werbung) trägt Youtube nun auch nach dem Urheberrecht eine gewisse Verantwortung für seine Inhalte. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, beide Seiten können binnen vier Wochen dagegen berufen.

Youtube könne sich hier nicht auf das sogenannte Host-Provider-Prinzip berufen, mit dem Social Media gegen ihre Verantwortung für Inhalte argumentieren. Das Handelsgericht in seiner gerade zugestellten Entscheidung: "Verlässt der Anbieter dagegen seine neutrale Vermittlerposition und übernimmt er eine aktive Rolle, die ihm eine Kenntnis von bestimmten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte, wird er hinsichtlich dieser Daten nicht von dem Anwendungsgebiet des § 16 ECG (E-Commerce-Gesetz) erfasst und kann sich deshalb insoweit auch nicht auf das Haftungsprivileg berufen. Genau das ist in diesem Fall verwirklicht."

Das Gericht erklärt die Verantwortung etwa mit "Verknüpfungen, Sortierungen, Filterungen und Verlinkungen, insbesondere durch Erstellung von Inhaltsverzeichnissen nach vorgegebenen Kategorien, Ermittlung des Surfverhaltens der Nutzer und Erstellung eines maßgeschneiderten Surfvorschlags".

Youtube will "die Urteilsbegründung eingehend prüfen. Wir halten uns alle Optionen offen, inklusive einer Berufung. Youtube nimmt den Schutz des Urheberrechts sehr ernst und stellt Rechteinhabern Werkzeuge und Ressourcen zur Verfügung, mit denen sie ihre Inhalte schützen und verwerten können."

"Auf Facebook übertragbar"

"Unserer Ansicht nach ist diese urheberrechtliche Entscheidung auch auf andere Rechtsgebiete anzuwenden", sagt Breitenecker im Gespräch mit dem STANDARD – also etwa auf Medien- und Persönlichkeitsrechte, Strafrechte. Und die Entscheidung wäre auch "auf andere Onlineangebote wie Facebook übertragbar".

Die Entscheidung wurde am Dienstag zugestellt – gerade zeitgerecht vor der Medienenquete der Bundesregierung am Donnerstag und Freitag, bei der es auch um diese Fragen geht. Breitenecker sieht in der Entscheidung eine Bestätigung der Argumentation in Change the Game. Sie könne "Auswirkungen über Österreich hinaus haben".

Das ebenfalls direkt vor der Enquete präsentierte Buch von Breitenecker und ProSiebenSat1Pul4-Infochefin Corinna Milborn verlangt mit Blick auf Falschnachrichten, Propaganda und Hassrede in sozialen Netzwerken medienrechtliche Verantwortung. "Medienrecht nicht einzuhalten und die Informationen, die man verbreitet, nicht zu überprüfen, spart enorme Redaktionskosten – die großen neuen Medien kommen ohne einen einzigen Journalisten aus. Datenschutz nicht einzuhalten ermöglicht den Aufbau der wichtigsten Ressource unserer Zeit: vernetzte Daten. Urheberrechte zu ignorieren ermöglicht, Künstler und Kreative schlicht nicht zu bezahlen", schreiben Milborn und Breitenecker. Und sie holen gleich weiter aus: "Steuerrecht zu umgehen bringt einen enormen finanziellen Vorteil, und Kartellrecht zu ignorieren – teils unter falschen Angaben und Lügen – ermöglichte die Bildung der Monopole."

Die beiden Privatfernsehmanager leiten aus ihrem Befund über Google, Youtube und Facebook Forderungen ab – da geht es naturgemäß wieder um Geld: Öffentlich-rechtliche Sender wie der ORF sollten wesentliche Teile ihrer Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen in die Entwicklung europäischer Social-Media-Plattformen investieren. Die sollen öffentliche und private Medien gemeinsam bespielen.

ORF-General Alexander Wrabetz lehnte das im STANDARD- Interview ab: "Heute ist der Zug abgefahren, und das weiß auch jeder."

Gleich zu Beginn fragt die zweitägige Regierungsenquete nach "richtigen Maßnahmen" und einer europäischen "ganzheitlichen Strategie im Umgang mit den großen Plattformen". EU-Justizkommissarin Vera Jourová kommt zu diesem Enqueteschwerpunkt "Europa" nach Wien. Danach geht es um "neue Allianzen" gegen die Onlineriesen. Österreichs klassische Medien arbeiten schon an ersten gemeinsamen Plattformen. (Harald Fidler, 6.6.2018)