Wien – Eines kann man über Peter P. mit Sicherheit sagen: Der Umgangston, den der 48-Jährige gegenüber jüngeren weiblichen Familienmitgliedern pflegt, ist nicht in Ordnung. Da ist vom "Blasen" und "Ficken" die Rede, Pubertierende werden "gemustert". "Es ist mir völlig klar, dass dadurch ein schlechtes Bild entsteht", sagt der Angestellte zum Schöffengericht unter Vorsitz von Christoph Bauer.

"Ich spiele seit langem Fußball und habe die Sprache angenommen", entschuldigt er sich. "Auch mir ist der Fußballplatz aktiv und passiv nicht fremd, und ich bin auch in Männerrunden, aber so äußere ich mich nicht", wirft Bauer ein.

Noch fassungsloser macht ihn, Beisitzer Landesgerichtspräsidenten Friedrich Forsthuber und Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler aber, dass bei Familienfeiern dieser Ton nie kritisiert wurde. "Ich schätze, weil es allen unangenehm gewesen ist", gibt eine Zeugin als Grund für die Nichtreaktion an.

Derbe Sprache bei Heranwachsenden

Der unbescholtene P. ist aber nicht wegen seiner derben Sprache angeklagt, sondern weil seine heute 28-jährige Nichte im Vorjahr anzeigte, dass er sie zwischen 1999 und 2003 schwer sexuell missbraucht habe, was er entschieden abstreitet, gleichzeitig aber teilweise große körperliche Distanzlosigkeit zugibt.

Erstmals soll P. die Nichte bei einer Faschingsfeier in der Wohnung seiner Schwiegereltern missbraucht haben. Zunächst in der Abstellkammer, dann auf dem Bett des Schwiegervaters, und schließlich soll er sie auf der Couch im Wohnzimmer mit dem Finger penetriert und sich selbst befriedigt haben.

Stimmt der Vorwurf, muss das aber, wie Verteidiger Roland Friis herausarbeitet, mit erheblichen Risiken verbunden gewesen sein. Laut Zeugen waren mindestens zehn Erwachsene und mehrere Kinder bei der Feier – meist im Ess- und im Wohnzimmer. Bei anderer Gelegenheit soll sich P. laut Aussage der 28-Jährigen an ihr vergangen haben, während seine Kinder daneben gesessen sind.

Jugendfreundin mit vager Erinnerung

Wie sich Friis überhaupt bemüht, Widersprüche in der Aussage aufzuzeigen. So behauptet die Nichte, sie habe in der Vergangenheit zwei Freundinnen und einem Freund von dem Missbrauch erzählt. Zwei davon treten als Zeugen auf und sind mehr als vage: "Ich meine, ich könnte mich erinnern, dass sie es einmal erwähnt hat", formuliert es beispielsweise die ehemals beste Freundin. Dass die 28-Jährige ihre Mutter als "Hure" bezeichnet hat, ist der Zeugin dagegen genau erinnerlich.

Der Jugendfreund sagt: "Sie hat im Prinzip erzählt, dass da was war, aber nicht mehr." An Details könne er sich jedenfalls nicht erinnern, nur, dass der Onkel erwähnt worden sei. "Gab es sonst Bekannte, die sexuell missbraucht wurden?", will der Vorsitzende wissen. "Nein", antwortet der Zeuge.

Privatdetektiv widerlegt Zeugenaussagen

Eine Antwort, die kurz darauf vom Verteidiger widerlegt wird. Der legt dem Senat nämlich den Bericht eines von ihm angeheuerten Privatdetektivs vor. Und dem hatte der Zeuge erzählt, eine andere Bekannte habe ihm im fraglichen Zeitraum von einem Missbrauch durch einen Taxifahrer erzählt. "Ah ja", fällt dem Zeugen da wieder ein. "Tut mir leid, das habe ich vergessen", entschuldigt sich der Mann.

Die Mutter der 28-Jährigen berichtet, ihre Tochter sei ab dem Alter von neun oder zehn Jahren problematisch gewesen – was auch mit der Scheidung der Eltern zu tun haben könnte. "Ab 16 hat sie ihre Wut dann besser in den Griff gekriegt", erinnert sich die Zeugin. Seit die Tochter ausgezogen sei, gebe es relativ wenig Kontakt, vor dem März 2017 habe sie aber nie Missbrauchsvorwürfe erhoben.

Laut einer psychiatrischen Sachverständigen leidet die seit Dezember 2017 arbeitsunfähige Frau unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Welches Trauma diese aber ausgelöst hat, kann die Gutachterin nicht sagen.

Da das Gericht zusätzliche Fragen an die 28-Jährige hat, vertagt Bauer auf den 18. Juli. (Michael Möseneder, 6.6.2018)