Bild nicht mehr verfügbar.

Dürfte als Spitzenkandidat der konservativen EVP für die Europawahl feststehen: CSU-Politiker Manfred Weber

Foto: AP Photo/Domenico Stinellis

München – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte am Mittwoch nicht nur einen wichtigen EU-Termin bei der Vorstellung des Programms des österreichischen Ratsvorsitzes bei der Kommission in Brüssel. Gleich anschließend flog er nach München, wo am Nachmittag ein Kongress der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament begann.

Offiziell handelt es sich "nur" um eine dreitägige Studientagung der christdemokratischen EU-Abgeordneten, die mit 219 Sitzen in Straßburg die relative Mehrheit haben. Kurz und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel waren als Hauptredner vorgesehen, um über die Herausforderungen des künftigen Europa zu referieren.

Vorentscheidung über Kommissionspräsidenten

Im Hintergrund werden dort jedoch bereits die Weichen gestellt für die Europawahl im Mai 2019 und die Vorwahl des gemeinsamen EVP-Spitzenkandidaten. Davon dürfte abhängen, wer der nächste Präsident der EU-Kommission wird, der vom Parlament im Juli 2019 direkt gewählt wird.

Denn der Spitzenkandidat der stärksten Parteienfamilie soll – so die Vorstellung gewichtiger EVP-Spitzen – nach dem Muster der EU-Wahl 2014, als Jean-Claude Juncker für die EVP gegen den Sozialdemokraten Martin Schulz angetreten war, das Recht haben, sich eine Kommission zusammenzustellen, in engem Konnex mit den Regierungen der EU-Staaten.

Sozialdemokraten entscheiden erst Ende des Jahres

EVP und Sozialdemokraten bekennen sich zum Modell "Spitzenkandidat", auch wenn es (noch) keine echten transnationalen Wahllisten gibt. Die Sozialdemokraten werden ihre Spitzenperson in einer offenen Vorwahl bestimmen. Sie soll, wie SPÖ-Chef Christian Kern dem STANDARD vergangene Woche sagte, Ende des Jahres bei einem S&D-Kongress in Wien gekürt werden. Favorit ist derzeit Kommissikonsvizepräsident Frans Timmermans, früherer niederländischer Außenminister, heute für Grundrechte zuständig. Auch die aus Italien stammende Außenbeauftragte Federica Mogherini soll gute Chancen haben, verlor aber nach dem Regierungswechsel in ihrem Heimatland an Gewicht.

Zurück zur EVP in München. Dort sprach sich Merkel Mittwochabend in einer umjubelten Rede offen dafür aus, dass es bei Europawahlen länderübergreifende Wahllisten geben solle und somit logischerweise auch einen Spitzenkandidaten.

Sie nannte keinen Namen, aber es ist nach Informationen des STANDARD klar, dass der EVP-Fraktionschef Manfred Weber, ein CSU-Mann aus Bayern, klarer Favorit ist. Es ist aber noch zu früh, das offiziell anzukündigen, weil die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten laut EU-Vertrag das Recht haben, den künftigen Kommissionschef formell dem EU-Parlament vorzuschlagen. Das Modell "Spitzenkandidat" ist in Deutschland und Österreich anerkannt, wird in anderen Staaten aber skeptisch gesehen.

Macron will keine Vorab-Festlegungen

Der französische Präsident Emmanuel Macron, dessen "En Marche!"-Bewegung keinem Parteienbündnis in Europa angehört, aber auch mehrere liberale Regierungschefs stellen das Konzept infrage, wollen den Kommissionschef selber aussuchen.

Nicht so die EVP, die sich mehrheitlich für Fraktionschef Weber entscheiden wird, wie der STANDARD aus Regierungskreisen und der EVP erfuhr. "Es ist klar, dass er es wird, das ist entschieden", sagte ein hochrangiger Vertreter. Bisher galt Brexit-Verhandler Michel Barnier vielen als Favorit. Er war mehrfach Minister in Frankreich, zweimal EU-Kommissar, EU-Abgeordneter, hat enorme Europaerfahrung. Aber er ist Franzose, müsste daher von Macrons Regierung unterstützt werden. Vielen in der EVP gilt er der 67-Jährige auch als zu alt. Weber ist 45 und könnte auf breite Unterstützung nicht nur seiner Partei bauen. Er wäre für Berlin und Paris, die EU-Schwergewichte, akzeptabel.

Aber selbst wenn die EVP bei der Europawahl den ersten Platz erreicht, was wahrscheinlich ist, weil Europas Sozialdemokraten in einer tiefen Krise stecken, ist noch lange nicht ausgemacht, dass Weber automatisch an die Kommissionsspitze kommen wird. Denn die Liberalen, die im Europäischen Rat gleich viele Regierungschefs stellen wie die Christdemokraten, könnten einen Pakt mit der SPE eingehen und einen Alternativkandidaten aus ihren Reihen vorschlagen. Am Ende zählt die Mehrheit im EU-Parlament. Wer die absolute Mehrheit der Abgeordneten hinter sich bringt, wird Juncker-Nachfolger. (Thomas Mayer, 7.6.2018)