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Yoga-Dress statt Arztkittel: Auch nach dem Start ins Berufsleben will die angehende Ärztin Luise Auer (Name geändert) diese Hobbys weiter pflegen. Das sei wichtig für sie, um dann auch wieder konzentriert bei der Arbeit zu sein.

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Sie wolle Spaß bei der Arbeit haben – "und das geht nur, wenn ich auch genügend Freizeit habe", sagt eine junge Frau, nennen wir sie Luise Auer. Die 28-Jährige steht kurz vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums. Sie reist gern, fährt Rad, macht Yoga, tanzt Hip-Hop. Sie geht regelmäßig zu Konzerten und ins Kino. Auch nach dem Start ins Berufsleben will sie diese Hobbys weiter pflegen, das sei wichtig für sie, um dann auch wieder konzentrierter bei der Arbeit zu sein.

Auer ist eine Vertreterin der sogenannten Generation Y. Der Gruppe der 20- bis Mitte-30-Jährigen wird nachgesagt, dass sie mehr Wert auf Freizeit legt und weniger auf Geld. Die Angehörigen dieser Alterskohorte seien nicht gewillt, so hart zu arbeiten wie Generationen vor ihnen.

Dass das auch auf die Berufsgruppe Arzt zutrifft, zeigen Gespräche, die der STANDARD mit mehreren Medizinstudierenden und Jungärzten geführt hat. Alle sagen, dass diese Arbeit für sie mehr als ein Beruf ist, nämlich eine Leidenschaft, eine Berufung. Aber sich ganz verausgaben, keine Zeit für sonstige Interessen, für Freunde und Familie zu haben, das wollen sie trotzdem nicht.

Dass Nachwuchsärzte heute mehr als noch vor 15 oder 20 Jahren Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance legen, bestätigt Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck. Fleischhacker, selbst noch Direktor an der Klinik, merke, "dass bei den Jungen die Selbstverständlichkeit, länger zu arbeiten, nicht mehr so groß ist."

Keine Lust aufs Land

"Die neue Generation ist nicht mehr bereit, alles der Arbeit unterzuordnen", sagt auch Edith Schratzberger-Vécsei, Allgemeinmedizinerin und Präsidentin der Organisation der Ärztinnen Österreichs. Letztendlich handle es sich dabei um einen Wunsch, den auch ältere Generationen gehegt, "jedoch nie so vehement eingefordert haben".

Wegen des angeblichen Ärztemangels, so die Kalkulation der Jungen, hätten sie eine bessere Verhandlungsposition – und treten mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auf.

Das kann mitunter zu Auseinandersetzungen führen – "mit Arbeitgebern, die mehr erwarten", sagt Fleischhacker. Da prallen unterschiedliche Vorstellungen aufeinander, da herrscht Unverständnis. Als sie einmal pünktlich zu Dienstschluss nach Hause gegangen ist, habe sie vom Vorgesetzten zu hören bekommen: "Das hätte es früher nicht gegeben", berichtet eine junge Ärztin.

Mehr Freizeit, meinen die Befragten, mache sie nicht nur glücklicher, sondern auch zu besseren Medizinern. Nicht nur sei man produktiver, wenn man Pausen mache – auch sei es wichtig, viel gesehen und erlebt zu haben. Außerdem: Empathie lerne man nur durch soziale Kontakte.

Einige wünschen sich auch mehr freie Zeit, um sich neben dem Job weiterzubilden.

Wert auf Teamarbeit

Die Devise lautet aber nicht nur weniger arbeiten, sondern auch ganz anders arbeiten. Kaum einer kann sich eine Zukunft als Landarzt vorstellen. "Es gibt Regionen, wo man kaum noch junge Kolleginnen und Kollegen findet, die dort hingehen wollen", sagt Schratzberger-Vécsei. Es sei eben unattraktiv, ein bis zwei Stunden von einer Stadt entfernt zu wohnen und nicht dieselben kulturellen Möglichkeiten zu haben, so das Argument der Jungen. Ein weiterer Grund, warum viele nicht aufs Land wollen: mangelnde Möglichkeiten für Kinderbetreuung und Schwierigkeiten für den Partner oder die Partnerin, dort einen Job zu finden.

Und in noch einer Hinsicht scheinen die Jungen anders zu ticken als ältere Semester: Sie legen mehr Wert auf Teamarbeit. "In den gewachsenen hierarchischen Systemen, in denen ihnen zu wenig Respekt entgegengebracht wird, fühlen sie sich nicht wohl", beobachtet Schratzberger-Vécsei. Notwendig sind neue Konzepte. Zum einen müsse sich "die Art des Umgangs ändern". Außerdem gilt es, Arbeit freier zu gestalten. Die Jungärzte artikulieren den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeitmodellen. Momentan gebe es nur "40-plus und keine Alternative", sagt eine Befragte. Und wie könnte man sie aufs Land locken? Indem man ihnen anbiete, sich die Arbeit in Gemeinschaftspraxen aufzuteilen.

Doch noch Karrieristen

Weniger Arbeitsstunden, flachere Hierarchien und mehr Teamarbeit: Das wünschen sich die jungen Ärzte also. Verallgemeinern darf man allerdings nicht. So sagen die Befragten, dass es die "Karrieristen", die Führungspositionen anstreben und denen ein gutes Gehalt wichtig ist, nach wie vor gibt.

Sie selbst zählen sich allerdings nicht dazu. "Ich habe nicht vor, Primaria zu werden", sagt etwa Luise Auer. "Ich habe nur ein Leben, und das möchte ich nicht nur in der Arbeit verbringen." (Lisa Breit, 8.6.2018)