Man findet sie längst nicht nur im Browser oder am Handy, auch auf klassischen Gaming-Plattformen haben Free2Play-Games längst Einzug gehalten. Manche von ihnen, etwas das Mobile-MOBA "Arena of Valor", das Desktop-MOBA "League of Legends" oder der Multiplayer-Shooter "Fortnite: Battle Royale" gehören zu den größten Games der Welt, gemessen an der Spielerzahl.

Ihr Hauptmerkmal: Sie sind kostenlos spielbar, üblicherweise komplett oder in einem großen Umfang. Zumindest theoretisch. Denn die Hersteller haben verschiedene Wege gefunden, Spieler trotzdem dazu zu bringen, immer wieder kleinere Geldbeträge auszugeben.

Ein Testvideo zu "Clash Royale" aus 2016. Seitdem hat sich einiges getan – oft leider nicht zum Besseren.
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Free2Play-Schlacht um Türme

Einen sehr ausgeklügelten Mechanismus zum zum Melken der Nutzer hat das Unternehmen Supercell entwickelt und in "Clash Royale" umgesetzt. Das Spiel stellt eine Mischung aus Tower Defense, klassischer Echtzeitstrategie und einem Sammelkartenspiel dar. Wie viele Spieler es insgesamt gibt, ist mangels offizieller Zahlen unklar. Alleine die Android-Version wurde bereits über 100 Millionen Mal heruntergeladen.

Kurz zum Spielprinzip: Spieler bauen sich Decks aus acht Karten – Einheiten, Gebäude, Zauber und Geschoße (in weiterer Folge unter "Einheiten" zusammengefasst). Es können mehrere davon angelegt, aber in einem Match nur eines genutzt werden. Ziel ist es, innerhalb einer Spanne von drei Minuten die Türme des Gegners anzugreifen. Wer innerhalb dieses Limits mehr Türme zerstört, hat gewonnen. Fällt der große Königsturm, ist die Partie sofort beendet. Steht es nach drei Minuten Unentschieden, so folgt eine einminütige Verlängerung, in der der nächste gefallene Turm entscheidet.

Einheiten können innerhalb eines vorgegebenen Bereichs platziert werden und agieren ab dann automatisch. Essenziell für den Erfolg sind auf spielerischer Ebene gutes Timing und Kenntnis über die Stärken und Schwächen der Figuren und Gebäude. "Clash Royale" ist schnell zu erlernen, aber schwer zu meistern. An und für sich ein gelungenes Spiel, dessen Qualität jedoch durch das Monetarisierungsprinzip gemindert wird.

Screenshot: Clash Royale

Mechanismus 1: Alles kann gelevelt werden

Für Siege in Spielen erhält man Truhen von unterschiedlicher Füllung. Die meisten bringen ein paar Karten mit und haben dabei nur eine niedrige Chance, Karten von größerer Seltenheit zu enthalten. Aufgeteilt werden die Karten in "Häufig", "Selten", "Legendär" und "Episch". Neben einer Auswahl an Grundeinheiten wächst das eigene Repertoire durch das "Entdecken" neuer Karten. Bestimmte Karten können erst erheischt werden, wenn man einen gewissen Punktestand erreicht hat.

Doch beim Sammeln neuer Einheiten bleibt es nicht, diese können auch aufgelevelt werden. Für die erste Verstärkung reichen zwei Karten, für die nächste sind es vier, dann acht und so weiter. Dazu verlangt das Spiel für jeden Aufstieg auch einen steigenden Betrag an Gold. Die Taler aus dem seltenen Edelmetall sind eine von zwei Ingame-Währungen. Für Siege, über Kisten und über andere Mechanismen erhält man regelmäßig neues Gold. Freilich ist ein Level-up nicht nur dekorativer Natur. Einheiten und Gebäude werden stärker und verursachen mehr Schaden. Zauber werden mächtiger.

Foto: Clash Royale

Gleichzeitig hat auch der Spieler selbst ein Level. Die Erfahrungspunkte dafür ergeben sich aus dem Hochleveln von Einheiten und dem Spenden von Karten an Mitglieder des eigenen Clans. Hier bringt ein Aufstieg eine Verbesserung für die eigenen Türme, die daraufhin mehr wegstecken und selbst auch mehr Schaden verursachen. Auch das ist ein deutlicher Vorteil und erzeugt einen weiteren Anreiz, Karten aufzuleveln. Letzteres ist ohnehin erforderlich, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Karten erhält man, wie gesagt, in Kisten. Es handelt sich also um sein sogenanntes "Lootbox"-System. Welche Karten enthalten sind, weiß man in der Regel nicht. Manche garantieren nur eine bestimmte Mindestzahl an Karten einer gewissen Seltenheitsstufe. Eine Ausnahme stellt der Ingame-Shop dar. Hier gibt es ein täglich wechselndes Angebot mit bestimmten Karten, die gegen Gold und manchmal auch gegen Diamanten – die zweite und seltenere Ingame-Währung – angeboten werden. Diamanten erhält man gelegentlich in Kisten, nicht aber für Siege. Ebenso wie Gold können sie allerdings für Echtgeld erworben werden.

Screenshot: Clash Royale

Mechanismus 2: Neue Karten, neues "Meta"

Supercell führt relativ regelmäßig neue Spielkarten ein, die mitunter neue strategische Möglichkeiten eröffnen. Jüngster Zugang zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes waren die "Königsschweine", eine Gruppe mittelmäßig schlagkräftiger Anti-Gebäude-Einheiten und ein Verlangsamungszauber in Form eines riesigen Schneeballs.

An sich ist es begrüßenswert, dass die spielerische Vielfalt wächst und man neue Konzepte erarbeiten kann. Mitunter führen neue Karten aber auch zu einem neuen "Meta", also einer Art allgemein anerkannten Empfehlung, wie man sein Deck nun ausrichten muss, um besser kompetitiv zu bleiben. Folgt man dem, bedeutet es, dass man sein Kartenset adaptieren, neue Karten einpflegt und alte rauswerfen oder gleich ein völlig neues Set bastelt.

Clash Royale

Die neuen Karten, die entweder gerade erst im Spiel gelandet oder vorher für die eigene Strategie keine Bedeutung hatten, müssen natürlich erst wieder hochgelevelt werden. Da einige Spieler schon länger mit den jeweiligen Einheiten hantieren und diese entsprechend aufgewertet haben, ist es sonst schwer, kompetitiv zu bleiben.

Insbesondere in höheren Sphären des Spiels, geschätzt jenseits der 2.000-Punkte-Marke, dauert es nicht nur lange, ausreichend Karten für Upgrades in sinnvoller Höhe zusammen zu bekommen, sondern auch die Goldkosten dafür sind immens. Wer sich nicht mit ewiger Stagnation oder Abstürzen aufgrund des neuen "Metas" zufrieden geben will, muss zur Mikrotransaktion greifen.

Das selbe Problem ergibt sich auch mit den monatlichen Balance-Änderungen, bei denen verschiedene Einheiten verstärkt oder geschwächt werden. In Spielen dieser Art sind solche Anpassungen natürlich immer ein heißes Thema. Da mit der Umstellung des eigenen Kartendecks aber in der Regel auch neue Karten gelevelt werden müssen, ergibt sich hier abermals ein "Zahlungsansporn".

Screenshot: Clash Royale

Mechanismus 3: Matchmaking aus der Hölle

Für den Ranglistenfortschritt nutzt "Clash Royale" ein adaptiertes ELO-System. Gewinnt man gegen einen Gegner, so erhält man mehr Punkte, wenn dieser einen höheren Score hat oder weniger, wenn er darunter liegt. Verliert man, so richtet sich der Abzug ebenfalls nach dem Score. Dabei sucht das Game immer Kontrahenten, die ein ähnliches ELO-Ranking (Abweichungen reichen meist nicht über einen Wert von 50 hinaus) aufweisen.

Das wäre an sich eine gute Matchmaking-Methode, gäbe es da nicht auch das allgemeine Spielerlevel. Während man unterhalb der schon erwähnten 2.000er-Marke fast immer auf Gegner gleichen Levels trifft, ändert sich dies mit fortschreitendem Erfolg und wird zunehmend unfair.

Das lässt sich auch belegen. Der Account des Autors war, als dieser Artikel verfasst wurde, auf Level 9. Das Spiel erlaubt es, Einsicht in die 26 zuletzt gespielten Matches zu nehmen. In diesen wurde lediglich fünf Mal ein Gegner der gleichen Stufe zugeteilt und einmal ein Spieler mit Level 8. Gleich 17 Mal wurde jedoch ein Spieler mit Level 10 als Widersacher auserkoren, drei Mal sogar einer mit Level 11.

Screenshot: Clash Royale

Heißt: In drei Viertel dieser Matches musste auf einer "schiefen Ebene" gestartet werden. Ein Spieler mit höherem Grundlevel hat tendenziell auch Einheiten höheren Levels. Dazu sind seine Türme schlagkräftiger und langlebiger. Ein auf Dauer zermürbender Nachteil, denn manche Unterschiede sind auch mit viel Geschick und vorteilhaften Karten nicht ausgleichbar. Der Verdacht liegt nahe, dass Supercell Langzeitspielern mehr Frustration zumutet, um sie zur Geldausgabe zu bewegen.

Nach dem Aufstieg auf das nächste Level blieb die Tendenz zu stärkeren Gegnern, wenn auch nicht so ausgeprägt, erhalten. Hier ging es in 26 Spielen drei Mal (12 Prozent) gegen einen schwächeren Gegner, 15 Mal (58 Prozent) gegen einen anderen Level-10-Spieler und acht Mal (31 Prozent) gegen einen Gegner auf Level 11. Auch das ist ein Beleg dafür, dass die Zuweisung ausschließlich auf Basis des ELO-Werts erfolgen dürfte, da mit dem Sprung auf Level 10 auch eine Siegesserie mit dementsprechendem Punktegewinn verbunden war.

Zudem scheint das Spiel nach einer längeren Siegesserie gerne mehrmals in Folge Gegner zuzuweisen, die Karten im Deck haben, die sich gegen die eigene Aufstellung nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip als besonders effektiv erweisen. Dies ist allerdings eine reine Vermutung, weil nicht beweisbar. Ihr liegen über 4.000 gespielte Partien zugrunde. Und selbstverständlich würde man auch bei einem "normalen" Verlauf gelegentlich auf ein "Konterdeck" stoßen, da sich mit acht Karten unmöglich alle strategischen Schwächen abdecken lassen.

Clash Royale

Fazit: Zuviel auf "Cash Royale" getrimmt

"Clash Royale" ist ein witziges Game mit originellem Spielprinzip. Besonders in der Anfangsphase macht das Game viel Spaß. Was auch damit zu tun hat, dass das integrierte Pay2Win-System sich kurzfristig nur marginal auswirkt. Bleibt man länger dran und stößt in höhere Sphären vor, desto heftiger werden die Auswirkungen.

Das müsste nicht so sein. "Investitionsanreize" gibt es etwa schon ohne dem unfairen Matchmaking mehr als genug. Dass die Entwickler von Supercell es dabei noch nicht einmal mit dem Verkauf kosmetischer Individualisierungsmöglichkeiten (Kronenturm-Dekorationen? Anpassbare Spielericons?) versucht haben, ist bedauerlich. Dass man als Milliardenkonzern unter dem Dach des chinesischen Spieleriesen Tencent gewinnorientiert arbeitet, ist verständlich. Dass man ein unterhaltsames Game auf diese Weise zugrunde richtet, allerdings nicht.

Nun wäre es falsch, diese Problematik alleine "Clash Royale" anzuhaften. Denn die Turmschlacht ist nur eines von vielen (Mobile-) Games, die ihre Nutzer an allen Ecken und Enden mit größeren und kleineren Mechanismen dazu bringen möchten, in ein an sich gratis erhältliches Game Geld zu stecken.

Das könnte sich auf Dauer aber ändern. Denn dank der Aufregung um die Lootboxen von "Battlefront" und diversen Berichten über Kinder, die ohne Wissen der Eltern und mangels effektiver Alterskontrollen riesige Beträge für Ingame-Transaktionen ausgegeben haben, ist das Thema auch auf die politische Agenda gelangt. (Georg Pichler, 25.06.2018)